- Wirtschaft und Umwelt
- Fragwürdig
Öltanker ohne Haftung?
Dieter Benze
Dieter Benze (62) ist Leiter der Fachgruppe Schifffahrt in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di).
ND: Der vor Spanien gesunkene Öltanker »Prestige« gehörte einer griechischen Reederei mit Sitz in Liberia und fuhr in Charter einer Schweizer Firma, die aus Russland finanziert wird. Sieht so der Normalzustand in der internationalen Tank-Schifffahrt aus?Benze: Ja. Das liegt am internationalen Ölhaftungsabkommen. Laut diesem haftet nicht der Charterer des Schiffes, nicht der Ladungsbeteiligte und auch nicht der Flaggenstaat, sondern ganz allein der Reeder. In diesem Geschäft, in dem die Tanker immer größer werden, will deshalb keiner der Reeder sein. So werden mit Hilfe der Billigflaggenländer Rechtsanwaltskontore genutzt, um 30, 40 oder 50 Reedereien anzumelden, die dann immer nur ein Schiff »besitzen«. Da existieren letztlich nur der Briefkasten und ein Schiff.
Mit der Folge, dass haftende Verantwortliche schwer auszumachen sind?
Genau, das ist das Ziel. Bislang ist es auch in keinem Fall gelungen, Personen für die bei Tankerunfällen begangenen Umweltverbrechen haftbar zu machen.
Eine Forderung, die deswegen auch die Gewerkschaft ver.di stellt, ist, die Nutzer der Schiffe - im Fall »Prestige« die Ölgesellschaften - in Haftung zu nehmen.
Neben den Ladungsbesitzern und den Charterern müssen vor allen Dingen die Flaggenstaaten und hier wiederum die Billigflaggenstaaten in Haftung genommen werden. Diese Länder interessiert überhaupt nicht, ob ihre Schiffe die internationalen Normen erfüllen oder nicht. Der Spuk wäre sofort vorbei, wenn diese Haftungsfragen geregelt würden.
Die Kritik an der Billigflaggen-Politik hält schon sehr lange an. Hat sich in den letzten Jahren da irgendetwas geändert?
Die USA sind vorgeprescht und lassen nur noch Schiffe in ihre Gewässer, die ihre Anforderungen an die Schiffssicherheit erfüllen. Das Europaparlament hat schon 1993 das Gleiche gefordert: Anlaufverbot für Tankschiffe über 15 Jahre, Doppelhüllen und Abschaffung der Billigflaggen. Die Politik mochte dem unter dem Druck der europäischen Reederlobby nicht folgen. Erst nach dem »Erika«-Unglück gab es auf Wunsch der Franzosen hin kleinere Verbesserungen.
Das Einlaufen der Schrott-Schiffe regional zu verbieten, ist sicher sinnvoll, ähnelt aber einer Vogel-Strauß-Politik. Eigentlich müssten doch solche Tanker global aus dem Verkehr gezogen werden?
Das stimmt. Ich habe den Ladegang der »Prestige« verfolgt und entdeckt, dass das Schiff meistens in den arabischen Ländern Öl geholt hat und dann nach Pakistan gefahren ist. In den Ländern gibt es keine Hafenstaatenkontrolle. Das Einlaufen in EU-Häfen zu verbieten, nützt nichts, wenn diese Schiffe dann nicht bei uns verkehren, sondern in anderen Gebieten frevelhafte Umweltverschmutzung betreiben. Insofern muss man an dieses Ölhaftungsabkommen heran. Und die Politiker, die jetzt aufschreien und fragen, wie konnte das mit der »Prestige« passieren, von denen hat noch kein einziger die Forderung voran getrieben, das Ölhaftungsabkommen zu verändern. Nach wie vor ist nur der Reeder haftbar, und die Reeder haben Systeme entwickelt, dass es diese Haftbarkeit nur auf dem Papier gibt.
Solange das so bleibt, wird es weitere Katastrophen geben. Die Besitzer der Schiffe können bewusst ein Risiko in Kauf nehmen, weil sie wissen, dass die Folgen eines Unglücks sie niemals treffen werden. Und gerade die alten Schiffe lässt man fahren, weil diese abgeschrieben sind. Hier wird mit jeder Reise viel Geld verdient. Und so lässt man diese Schiffe länger fahren, als es vom Standpunkt der Sicherheit her zu vertreten wäre.
Fragen: Jörg StaudeND: Der vor Spanien gesunkene Öltanker »Prestige« gehörte einer griechischen Reederei mit Sitz in Liberia und fuhr in Charter einer Schweizer Firma, die aus Russland finanziert wird. Sieht so der Normalzustand in der internationalen Tank-Schifffahrt aus?
Benze: Ja. Das liegt am internationalen Ölhaftungsabkommen. Laut diesem haftet nicht der Charterer des Schiffes, nicht der Ladungsbeteiligte und auch nicht der Flaggenstaat, sondern ganz allein der Reeder. In diesem Geschäft, in dem die Tanker immer größer werden, will deshalb keiner der Reeder sein. So werden mit Hilfe der Billigflaggenländer Rechtsanwaltskontore genutzt, um 30, 40 oder 50 Reedereien anzumelden, die dann immer nur ein Schiff »besitzen«. Da existieren letztlich nur der Briefkasten und ein Schiff.
Mit der Folge, dass haftende Verantwortliche schwer auszumachen sind?
Genau, das ist das Ziel. Bislang ist es auch in keinem Fall gelungen, Personen für die bei Tankerunfällen begangenen Umweltverbrechen haftbar zu machen.
Eine Forderung, die deswegen auch die Gewerkschaft ver.di stellt, ist, die Nutzer der Schiffe - im Fall »Prestige« die Ölgesellschaften - in Haftung zu nehmen.
Neben den Ladungsbesitzern und den Charterern müssen vor allen Dingen die Flaggenstaaten und hier wiederum die Billigflaggenstaaten in Haftung genommen werden. Diese Länder interessiert überhaupt nicht, ob ihre Schiffe die internationalen Normen erfüllen oder nicht. Der Spuk wäre sofort vorbei, wenn diese Haftungsfragen geregelt würden.
Die Kritik an der Billigflaggen-Politik hält schon sehr lange an. Hat sich in den letzten Jahren da irgendetwas geändert?
Die USA sind vorgeprescht und lassen nur noch Schiffe in ihre Gewässer, die ihre Anforderungen an die Schiffssicherheit erfüllen. Das Europaparlament hat schon 1993 das Gleiche gefordert: Anlaufverbot für Tankschiffe über 15 Jahre, Doppelhüllen und Abschaffung der Billigflaggen. Die Politik mochte dem unter dem Druck der europäischen Reederlobby nicht folgen. Erst nach dem »Erika«-Unglück gab es auf Wunsch der Franzosen hin kleinere Verbesserungen.
Das Einlaufen der Schrott-Schiffe regional zu verbieten, ist sicher sinnvoll, ähnelt aber einer Vogel-Strauß-Politik. Eigentlich müssten doch solche Tanker global aus dem Verkehr gezogen werden?
Das stimmt. Ich habe den Ladegang der »Prestige« verfolgt und entdeckt, dass das Schiff meistens in den arabischen Ländern Öl geholt hat und dann nach Pakistan gefahren ist. In den Ländern gibt es keine Hafenstaatenkontrolle. Das Einlaufen in EU-Häfen zu verbieten, nützt nichts, wenn diese Schiffe dann nicht bei uns verkehren, sondern in anderen Gebieten frevelhafte Umweltverschmutzung betreiben. Insofern muss man an dieses Ölhaftungsabkommen heran. Und die Politiker, die jetzt aufschreien und fragen, wie konnte das mit der »Prestige« passieren, von denen hat noch kein einziger die Forderung voran getrieben, das Ölhaftungsabkommen zu verändern. Nach wie vor ist nur der Reeder haftbar, und die Reeder haben Systeme entwickelt, dass es diese Haftbarkeit nur auf dem Papier gibt.
Solange das so bleibt, wird es weitere Katastrophen geben. Die Besitzer der Schiffe können bewusst ein Risiko in Kauf nehmen, weil sie wissen, dass die Folgen eines Unglücks sie niemals treffen werden. Und gerade die alten Schiffe lässt man fahren, weil diese abgeschrieben sind. Hier wird mit jeder Reise viel Geld verdient. Und so lässt man diese Schiffe länger fahren, als es vom Standpunkt der Sicherheit her zu vertreten wäre.
Fragen: Jörg Staude
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