Mitsprache bei Gestaltung der der betrieblichen Ordnung

  • Gerd Siebert
  • Lesedauer: 3 Min.
In jedem Betrieb - groß oder klein - gibt es eine Betriebsordnung. In größeren Betrieben existiert sie meistens schriftlich, und wenn das richtig gemacht wurde, handelt es sich um mehrere Betriebsvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Wo es diese Vereinbarungen nicht gibt, bestimmt in der Regel der Arbeitgeber allein, wo es »lang« geht. Die Betriebsordnung regelt, wie sich die Arbeitnehmer am Arbeitsplatz und im Betrieb zu verhalten haben, vergleichbar etwa der Hausordnung, die das Verhalten der Mieter vorschreibt. Und da kann es Sinnvolles, aber auch inakzeptable Übertreibungen geben, wenn manche Arbeitgeber und Vorgesetzte (oder Hausmeister!) ihre Vorstellungen von ordnungsgemäßem Verhalten ausleben. Die Beteiligung des Betriebsrats bei Festlegung von Verhaltensregeln schreibt §87 Abs.1 Nr.1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) vor: Mitbestimmung bei »Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb«. Immer wenn Anweisungen des Arbeitgebers ein bestimmtes Verhalten oder eine bestimmte Art von Ordnung für alle Arbeitnehmer bewirken sollen, hat der Betriebsrat mitzubestimmen. Etwas anderes sind Einzelanweisungen, die die Ausführung der Arbeit betreffen: »Erledigen Sie zuerst den Auftrag B und dann den Auftrag A!« Der Betriebsrat muss sein Mitbestimmungsrecht so wahrnehmen, dass durch Ordnungs- und Verhaltensregeln alle Arbeitnehmer »nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit« behandelt werden und die »freie Entfaltung der Persönlichkeit« nicht beeinträchtigt wird (§ 75 BetrVG). Mit anderen Worten: Die betriebliche Ordnung darf nicht in Schikane, Ehrverletzung und sonstige Missachtung der menschlichen Würde ausarten. In diesem Zusammenhang hat der Betriebsrat auch darauf zu achten, dass die »zu Gunsten der Arbeitnehmer« geltenden Gesetze und Bestimmungen eingehalten werden (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Mancher Betriebsrat dürfte erstaunt sein über den Umfang und die Vielschichtigkeit seiner Mitbestimmungskompetenz. Er muss vom Arbeitgeber beteiligt werden, wenn es um Regeln für folgende Angelegenheiten geht: Verbot und Regelung des Zugangs zu bestimmten Betriebsabteilungen; Torkontrollen und die Art der Durchführung; Auswahl der Kontrollierten und der Kontrolleure; Verlassen des Betriebs während der Pausen und nach Feierabend; Aufhängen von Bildern, Plakaten usw. in Arbeitsräumen; Radiohören im Betrieb; Vergabe von Firmenparkplätzen, Parkplatzordnung; Kleiderordnung, Dienstkleidung und deren Gestaltung; Art des Aufenthalts in Räumen mit Publikumsverkehr (z. B. im Laden nur stehend); Rauch- und Alkoholverbot, soweit nicht schon gesetzlich geregelt; Einführung von Stempeluhren, Zeiterfassungsgeräten; Befragungsaktionen des Arbeitgebers; Singeverbot im Betrieb. Mitbestimmungspflichtig sind aber auch solche Angelegenheiten wie: Krankengespräche zur Aufklärung eines überdurchschnittlichen Krankenstandes; Einführung und Anwendung von Formularen für die Notwendigkeit eines Arztbesuchs während der Arbeitszeit; generelle oder auf Fallgruppen bezogene Anordnung von Eignungsuntersuchungen und Einstellungsuntersuchungen; Verlangen von Tätigkeitsberichten und Überstundennachweisen; Einsatz von Testkäufern im Verkaufsbetrieb; Benutzungsordnung für Pausenräume; private Benutzung der Telefonanlage; Vorschriften für die Behandlung und Aufbewahrung von Arbeitskleidung und Werkzeugen usw. usw. Die Liste ist schier endlos. Es muss auch nicht alles schriftlich festgelegt werden, aber auf keinen Fall ohne Beteiligung des Betriebsrats. Der muss jedoch aufpassen, dass er nicht unmerklich zum Vollstrecker arbeitgeberseitiger Zucht- und Ordnungsvorstellungen wird. Sein »Ding« ist es aufzupassen, dass dabei nicht die Menschlichkeit aus dem Blickfeld gerät.

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