Im August, als die Rosen blühten
Vor 50 Jahren begann das dritte Weltjugendfestival in Berlin - für viele lebendige Erinnerung
Im August, im August blühn die Rosen...«, seinerzeit ein »Hit« im DDR-Rundfunk, zählt mittlerweile zu den ungespielten Oldies. Der Lyriker Armin Müller schrieb ihn im Frühjahr 1951 mit Blick auf die Weltjugendfestspiele.
Die FDJ erhielt vom Weltbund der demokratischen Jugend (WBDJ) den Zuschlag für die Ausrichtung des dritten Festivals junger Kommunisten und Sympathisanten. Sie wollte mit dem Massentreffen einen Beitrag zur internationalen Anerkennung der DDR leisten und erhielt daher nachhaltige Unterstützung durch Regierung und Berliner Magistrat: Ein Sonderbauprogramm umfasste die Instandsetzung von Sport- und Kulturstätten sowie Schulen.
Besonderen Wert legten die Organisatoren auf sichtbare internationale Präsenz. Schließlich zählten sie 61000 Besucher aus 104 Ländern, darunter als Ehrengäste die Schriftsteller Jorge Amado, Nazim Hikmet, Pablo Neruda und Martin Andersen-Nexö, die sowjetische Primaballerina Maja Plissezkaja sowie die Französin Raymonde Dien, die einen Waffentransport nach Vietnam verzögert hatte.
Am 5. August 1951 eröffnete der damalige WBDJ-Präsident Enrico Berlinguer das Festival. Ostberlin und seine Gäste erlebten im folgenden ein Massenspektakel in einer Mischung aus bunten Nationalprogrammen, Sportfesten, Konzerten und Feuerwerken einerseits und großen Kundgebungen, Demonstrationen, Appellen andererseits.
Vor dem Hintergrund des Koreakrieges und des Kalten Kriegs in Europa zeigten die Gastgeber demonstrativ Flagge im »Kampf gegen den amerikanischen Imperialismus« und für die »Freundschaft zur Sowjetunion, dem Bollwerk des Friedens«. Zur optischen Untermalung setzte ein gigantischer Personenkult um Stalin, Mao Tse Dong, Kim Il Sung und andere KP-Führer ein. Aus der BRD reisten trotz des von der Bundesregierung am 26.Juni 1951 verhängten FDJ-Verbots 30000 Westdeutsche ein.
Das bunte Treiben in den Berliner Straßen und die Hoffnung, im »Arbeiter- und Bauern-Staat« soziale Sicherheit zu finden, bewog eine Reihe Jugendlicher aus dem Westen, Übersiedlungsanträge in die DDR zu stellen. Einer internen FDJ-Einschätzung zufolge ersuchten damals 1211 Jugendliche um eine Übersiedlung. Nur sechs konnten ihr Vorhaben verwirklichen. Die anderen erhielten eine Ablehnung mit der Begründung, sie »sollten lieber den Friedenskampf in Westdeutschland unterstützen«.
Einen besonders neuralgischen Punkt stellte West-Berlin dar. Die dortige Presse nutzte offenkundige organisatorische Mängel im Ostteil der Stadt für Schlagzeilen wie »Das Festspiel-Fiasko. FDJler ohne Verpflegung«. Härter als diese Häme trafen die SED-Führung und den FDJ-Vorsitzenden Erich Honecker die Tatsache, dass Tausende FDJler die Gelegenheit nutzten, um die Westsektoren aufzusuchen. Zu den am 16.Mai 1951 vom Senat beschlossenen »Gegenmaßnahmen« zählte eine Einladung des Regierenden Bürgermeisters Ernst Reuter zum Besuch West-Berlins. Dort erhielten sie gratis Zigaretten, Schokolade und Zeitschriften und wurden vom Innerdeutschen Ministerium, vom Senat und vom Landesjugendring zu Diskussionen eingeladen. Eine eigens eingesetzte Flüchtlingskommission prüfte Anträge von mehr als 4469 Jugendlichen auf Anerkennung als politischer Flüchtling, erkannte allerdings nur neun als solche an.
Offensichtlich wegen der vielen West-Berlin-Besuche entschloss sich die FDJ-Führung kurzfristig, eine politische Demonstration in den Westsektoren durchzuführen. Am 15.August zogen Tausende FDJler in Marschkolonnen über die Sektorengrenzen. Hier hörte die Gastfreundschaft auf. Die Polizei machte von Schlagstöcken und Wasserwerfern Gebrauch; einige hundert Demonstranten erlitten Verletzungen.
Dem sächsischen Funktionär Robert Bialek sagte Erich Honecker: »Vergiss nicht den politischen Propagandawert dieser Aktion vor der ganzen Jugend der Welt, die in Berlin ist. Im Übrigen haben wir bloß nebenbei festgestellt, dass wir mit Hunderttausenden entschlossenen FDJlern in der Lage wären, Westberlin innerhalb von zwei Stunden zu besetzen...« Die verletzten Demonstranten wurden als »Helden« gefeiert und erhielten eine eigens dafür geschaffene »Thälmann-Medaille«.
Am 19.August 1951 endete das Festival. Honeckers Wunsch nach einem langen Leben für den »Bannerträger des Friedens Josef Stalin« erfüllte sich nicht. Vielen damals jungen Leuten aber blieben die Weltfestspiele aus unterschiedlichen Gründen in lebendiger Erinnerung: Sei es die erste Fahrt in der U-Bahn, sei es die Begegnung mit anderen Kulturen, die erste Freundin, der Mutterwitz der Gastgeberfamilie, die erste amerikanische Zigarette oder aber der Massenauflauf, später höchstens vergleichbar mit der Love-Parade.
Der promovierte Berliner Historiker hat zur Geschi...
Die FDJ erhielt vom Weltbund der demokratischen Jugend (WBDJ) den Zuschlag für die Ausrichtung des dritten Festivals junger Kommunisten und Sympathisanten. Sie wollte mit dem Massentreffen einen Beitrag zur internationalen Anerkennung der DDR leisten und erhielt daher nachhaltige Unterstützung durch Regierung und Berliner Magistrat: Ein Sonderbauprogramm umfasste die Instandsetzung von Sport- und Kulturstätten sowie Schulen.
Besonderen Wert legten die Organisatoren auf sichtbare internationale Präsenz. Schließlich zählten sie 61000 Besucher aus 104 Ländern, darunter als Ehrengäste die Schriftsteller Jorge Amado, Nazim Hikmet, Pablo Neruda und Martin Andersen-Nexö, die sowjetische Primaballerina Maja Plissezkaja sowie die Französin Raymonde Dien, die einen Waffentransport nach Vietnam verzögert hatte.
Am 5. August 1951 eröffnete der damalige WBDJ-Präsident Enrico Berlinguer das Festival. Ostberlin und seine Gäste erlebten im folgenden ein Massenspektakel in einer Mischung aus bunten Nationalprogrammen, Sportfesten, Konzerten und Feuerwerken einerseits und großen Kundgebungen, Demonstrationen, Appellen andererseits.
Vor dem Hintergrund des Koreakrieges und des Kalten Kriegs in Europa zeigten die Gastgeber demonstrativ Flagge im »Kampf gegen den amerikanischen Imperialismus« und für die »Freundschaft zur Sowjetunion, dem Bollwerk des Friedens«. Zur optischen Untermalung setzte ein gigantischer Personenkult um Stalin, Mao Tse Dong, Kim Il Sung und andere KP-Führer ein. Aus der BRD reisten trotz des von der Bundesregierung am 26.Juni 1951 verhängten FDJ-Verbots 30000 Westdeutsche ein.
Das bunte Treiben in den Berliner Straßen und die Hoffnung, im »Arbeiter- und Bauern-Staat« soziale Sicherheit zu finden, bewog eine Reihe Jugendlicher aus dem Westen, Übersiedlungsanträge in die DDR zu stellen. Einer internen FDJ-Einschätzung zufolge ersuchten damals 1211 Jugendliche um eine Übersiedlung. Nur sechs konnten ihr Vorhaben verwirklichen. Die anderen erhielten eine Ablehnung mit der Begründung, sie »sollten lieber den Friedenskampf in Westdeutschland unterstützen«.
Einen besonders neuralgischen Punkt stellte West-Berlin dar. Die dortige Presse nutzte offenkundige organisatorische Mängel im Ostteil der Stadt für Schlagzeilen wie »Das Festspiel-Fiasko. FDJler ohne Verpflegung«. Härter als diese Häme trafen die SED-Führung und den FDJ-Vorsitzenden Erich Honecker die Tatsache, dass Tausende FDJler die Gelegenheit nutzten, um die Westsektoren aufzusuchen. Zu den am 16.Mai 1951 vom Senat beschlossenen »Gegenmaßnahmen« zählte eine Einladung des Regierenden Bürgermeisters Ernst Reuter zum Besuch West-Berlins. Dort erhielten sie gratis Zigaretten, Schokolade und Zeitschriften und wurden vom Innerdeutschen Ministerium, vom Senat und vom Landesjugendring zu Diskussionen eingeladen. Eine eigens eingesetzte Flüchtlingskommission prüfte Anträge von mehr als 4469 Jugendlichen auf Anerkennung als politischer Flüchtling, erkannte allerdings nur neun als solche an.
Offensichtlich wegen der vielen West-Berlin-Besuche entschloss sich die FDJ-Führung kurzfristig, eine politische Demonstration in den Westsektoren durchzuführen. Am 15.August zogen Tausende FDJler in Marschkolonnen über die Sektorengrenzen. Hier hörte die Gastfreundschaft auf. Die Polizei machte von Schlagstöcken und Wasserwerfern Gebrauch; einige hundert Demonstranten erlitten Verletzungen.
Dem sächsischen Funktionär Robert Bialek sagte Erich Honecker: »Vergiss nicht den politischen Propagandawert dieser Aktion vor der ganzen Jugend der Welt, die in Berlin ist. Im Übrigen haben wir bloß nebenbei festgestellt, dass wir mit Hunderttausenden entschlossenen FDJlern in der Lage wären, Westberlin innerhalb von zwei Stunden zu besetzen...« Die verletzten Demonstranten wurden als »Helden« gefeiert und erhielten eine eigens dafür geschaffene »Thälmann-Medaille«.
Am 19.August 1951 endete das Festival. Honeckers Wunsch nach einem langen Leben für den »Bannerträger des Friedens Josef Stalin« erfüllte sich nicht. Vielen damals jungen Leuten aber blieben die Weltfestspiele aus unterschiedlichen Gründen in lebendiger Erinnerung: Sei es die erste Fahrt in der U-Bahn, sei es die Begegnung mit anderen Kulturen, die erste Freundin, der Mutterwitz der Gastgeberfamilie, die erste amerikanische Zigarette oder aber der Massenauflauf, später höchstens vergleichbar mit der Love-Parade.
Der promovierte Berliner Historiker hat zur Geschi...
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