Stammgäste gehen in den »Leichen-Keller«
»Oma Käthe« serviert im Adlershofer »Zum kühlen Grunde« seit 60 Jahren
Obwohl Katharina Tantow direkt über der Gaststätte wohnt, sagt sie, »hier unten ist mein Zuhause«. Denn in der Ur-Berliner Eckkneipe »Zum kühlen Grunde« hat die 81-Jährige wohl die meiste Zeit ihres Lebens verbracht.
Vor fast 60 Jahren übernahm sie mit ihrem Mann Erwin das Familienunternehmen. Eigentlich braucht die zierliche Frau schon längst nicht mehr zum Arbeiten in den kleinen Schankraum zu kommen. Aber sie macht es trotzdem. »Käthchen«, wie sie von den Stammgästen gerufen wird, bringt noch immer Bier, Schnaps und manchmal auch Speisen an die Tische. »Ich muss es einfach tun«, sagt sie fast entschuldigend. Ohne die Leute und die netten Gespräche würde sie sich einsam fühlen. »Wir sind doch hier wie eine große Familie, ich kenne jeden«, sagt sie lächelnd. Dass sie vermutlich die älteste aktive Gastwirtin Berlins ist, scheint ihr egal zu sein. Darüber habe sie sich noch nie Gedanken gemacht. Für den Ortsteil Adlershof könnte sie diesen Titel ganz sicher tragen. Das hat ihr Schwiegersohn Peter Magarin herausgefunden.
Wenn »Oma Käthe« nachmittags den Gastraum betritt, dann immer schick gekleidet. Am liebsten trägt sie farbenfrohe Blusen. Eine Schürze bindet sie nur noch selten um. »So viel gibt es nun auch wieder nicht zu tun, das war früher anders«, erzählt die Seniorin. Damals, zwischen den 50er und 80er Jahren, als sie allein mit ihrem Mann den Laden schmiss, wurden wöchentlich bis zu 25 Bierfässer geleert.
In den beiden mit dunklem Holz getäfelten Räumen trafen sich Arbeiter der umliegenden Betriebe, Mitarbeiter des Fernsehfunks der DDR und Soldaten der Adlershofer Kaserne. Sie spielten Skat oder drängelten sich in Viererreihe am Tresen. »Wir waren für viele der letzte Anlaufpunkt, weil eine zeitlang nur unsere Kneipe in Adlershof bis ein Uhr morgens geöffnet hatte«, erinnert sich Katharina Tantow.
Die Zeiten, in denen man auf einen leeren Tisch warten musste, sind längst vorbei. Doch das einst von ihrem Mann initiierte monatliche Eisbeinessen bleibt auch nach dessen Tod eine Tradition im »kühlen Grunde«. Und noch etwas blieb über Jahrzehnte erhalten: Stammgäste kehren nach wie vor im »Leichen-Keller« ein. Schon seit den 30er Jahren wird die Kneipe so bezeichnet, weiß »Käthchen«. Weil der Fußboden des Lokals tatsächlich unter dem Straßenniveau liegt und einer der ersten Besitzer Albert Leicht hieß. »Unter diesem Namen war die Gaststätte in ganz Berlin bekannt«, berichtet der Schwiegersohn. »Es genügte, einem Taxifahrer zu sagen - ich will in den LK, dann wurde man nach Adlershof gebracht«, sagt Peter Magarin.
Zufriedene und freundliche Gäste sind für Katharina Tantow der schönste Dank. Und sie wünscht sich, noch lange in der alten Kneipe mithelfen zu können. Neulich hat sie ein Kumpel ihres Enkels »Oma Käthe« gerufen und sofort geduzt. »So sind nun mal meine Burschen«, sagt sie lächelnd. Aber das gefällt ihr. Wenn ihr dann doch nach einem »Kneipeneinsatz« am späten Abend die Beine schmerzen, genehmigt sie sich einen Weinbrand. So wie früher ...
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