Wissen ist Macht und Schulbücher kosten Geld

Durch Abschaffung der Lernmittelfreiheit müssen ab August Eltern zahlen / Am teuersten wird die Klasse 7

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
Schulbücher sind nicht billig. Entsprechend empfindlich trifft deshalb die Abschaffung der Lernmittelfreiheit, durch die das Land Berlin 15 Millionen Euro pro Jahr sparen will. Der Senat beschloss es vorige Woche. Die Senatsschulverwaltung erarbeitet nun eine Rechtsverordnung. Diese soll Ende Februar oder Anfang März vorliegen und zum Schuljahresbeginn im August in Kraft treten. Dann müssen Eltern die Lehrbücher ihrer Sprösslinge bezahlen. Ausnahmen gibt es für die, die Anspruch auf Sozialhilfe oder Wohngeld haben. Dabei spielt keine Rolle, ob sie tatsächlich Sozialhilfe oder Wohngeld beziehen. Bei einer Familie mit zwei Kindern dürfte das Nettoeinkommen pro Jahr demzufolge nicht über 22000 Euro plus Kindergeld liegen, bei einer Familie mit drei Kindern nicht über 30000 Euro plus Kindergeld. Überlegungen des Schulsenats zufolge bekommen diese Familien Gutscheine, die in Buchhandlungen einzutauschen sind. Ähnlich praktiziert es Rheinland-Pfalz, wo jährlich ein Fünftel bis ein Viertel der Schüler unterstützt wird. Allerdings erstattet Rheinland-Pfalz Familien mit einem Kind nur die Hälfte, Familien mit zwei Kindern nur 75 Prozent der Kosten. Erst ab drei Kindern gibt es die Schulbücher umsonst. Wie teuer der Kauf der Lehrbücher in Berlin wird, ist schwer zu sagen. In Deutschland bietet eine ganze Reihe von Verlagen etwa 50000 Bildungsmedien an. Hunderte Bücher sind in Berlin zugelassen. Welches Lehrbuch im Unterricht verwendet wird, bestimmen die Lehrer. Bisher war es so, dass sich zum Beispiel die Englischlehrer einer Schule einigten, welches Buch sie im Unterricht benutzen. Von diesem Buch kaufte die Schule Klassensätze an und verlieh sie an die Schüler. Dieses Verfahren wird heute noch in Bayern angewendet, wo es die Lernmittelfreiheit weiterhin gibt. Auch in Zukunft werde es so sein, dass die Fachlehrerkonferenz einer Schule sich für eine bestimmte Schulbuchausgabe entscheidet, versichert man im Schulsenat. Diese Ausgabe müsse dann auch mehrere Jahre hintereinander verwendet werden. Dadurch ist es wahrscheinlich, dass Kinder die Bücher ihrer älteren Geschwister benutzen können, sofern sie in die selbe Schule gehen. Besuchen die Geschwister unterschiedliche Bildungseinrichtungen, kann es vorkommen, dass die Eltern zweimal in die Tasche greifen müssen. Die Preise für Schulbücher unterscheiden sich zum Teil erheblich. So verlangt der Klett-Verlag für sein Geschichtsbuch für die 10. Klasse 22,40 Euro. Das vergleichbare Buch von Volk und Wissen kostet nur 15,90 Euro. Ein Physikbuch für die Klasse 8 kostet bei Volk und Wissen 12,60 Euro, bei Paetec 14,95 Euro und bei Cornelsen 15,95 Euro. Für das Lesebuch Klasse3 von Diesterweg sind 16,75 Euro zu berappen, für das Mathebuch Klasse 1 von Schroedel 15,95 Euro. Die Senatsschulverwaltung errechnete, wie viel Eltern von Grundschülern im Schnitt ausgeben müssen. Danach kosten die Bücher für die erste Klasse 45 Euro, für die zweite 58 Euro, für die dritte und vierte je 83 Euro und für die fünfte und sechste je 116 Euro. Für die Oberstufe gibt es keine Modellrechnung. Es sei aber klar, dass die 7. Klasse das teuerste Schuljahr überhaupt wird, sagt Schulsenats-Sprecherin Rita Hermanns. In diesem ersten Jahr der Oberstufe sind beispielsweise Duden und Atlas anzuschaffen, die auch noch in höheren Stufen verwendet werden. Je nachdem, was die Lehrer verlangen, kann die Ausstattung für die Klasse 7 auch über 200 Euro kosten. Allerdings sind solche Summen keinesfalls schon im kommenden August fällig. Noch existieren in den Schulen Klassensätze aus der Zeit der Lernmittelfreiheit. Diese werden je nach Zustand und Aktualität weiter benutzt. Laut Hermanns verliehen die Schulen diese Klassensätze bisher vier bis sechs Jahre lang an Schüler. Der Übergang zum Kauf werde fließend sein. Auch rechnet Hermanns damit, dass sich ein Handel mit gebrauchten Schulbüchern entwickelt. Trotz Lernmittelfreiheit besorgten Eltern auch bisher schon einen Teil der Bücher auf eigene Rechnung.

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