Immer schön das Ohr am Treppengeländer

»Tratsch im Treppenhaus« vom Hansa-Theater hat das Zeug zur Berliner Kult-Klamotte

»Tratsch im Treppenhaus«, die neueste Produktion des Hansa-Theaters, hat das Zeug, zur Berliner Kult-Klamotte zu werden. Einer etwas antiquierten, gewiss, aber immerhin weist die 1960 von dem Flensburger Dramatiker und Theaterleiter Jens Exler geschriebene und in eine heutige Berliner Mietskaserne überführte Komödie genug Biss auf. Handlungsort ist das Treppenhaus. Vier Türen gehen davon ab. Hinter einer haust der bärbeißige Ex-Finanzbeamte Ewald Brummer, ihm gegenüber die resolute Witwe Hanne Knoop. Beide vermieten je ein Kämmerchen an von daheim ausgerissene junge Menschen: Knoop an ihre Ersatz-Tochter Heike aus reichem Hause, Brummer an seinen sächselnden und aufdringlich gemütlichen Neffen Dieter. Mit von der Partie sind noch Meta Boldt (Luise Lunow als prachtvoll zänkischer Irrwisch), die eigentlich eine Etage tiefer wohnt, ihr Ohr aber stets am Treppengeländer »befestigt«, sowie der Hauswart und Fleischermeister Bernhard Tramsen. Letzterem steckt die Boldt die Geschichte mit den laut Mietvertrag verbotenen Untermietern, worauf der mit Räumungsklage droht. Mit jugendlichem Charme verhindert Heike die Katastrophe und versöhnt auch die verfeindeten Nachbarn Knoop und Brummer senior. Daraufhin wird sie von den Verehrern (Tramsen & Brummer) mit Geschenken nur so überhäuft. Auch Dieter, längst als Hauptverehrer akzeptiert und sich nachts in Heikes Kammer aufhaltend, kommt in den Genuss eines Würstchens, als ihn der liebestolle Fleischermeister für die Angebetete hält. Natürlich findet alles ein gutes Ende, Dieter und Heike werden ein anständiges Paar. Auch der Onkel und die Witwe entflammen füreinander, so dass selbst Giftspritze Boldt nichts mehr an dem Glück ändern kann. Leider behält der sehr stilsicher inszenierende André Freyni das didaktische Pathos von Autor Exler bei und legt die Geschichte als Parabel über den Schaden des Tratschens an. So schulmeisterlich hätte die ansonsten perfekt gebaute Komödie gar nicht sein müssen. Im aparten Moabiter Kieztheater sitzend malt man sich dann aus, wie brillant der Abend hätte sein können, wenn sich die Dramaturgie mehr getraut und etwas mehr Multi- und Populärkultur eingebracht hätte. Dennoch: Amüsantes Volkstheater, das zwar nicht nach Förderung wegen der künstlerischen Innovation schreit, aber dennoch mehr Qualität aufweist als manche Inszenierung, d...

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