Geschlossene Asia-Gesellschaft

Wirtschaftlich sinnvolle Konzentration in den vietnamesischen Centern zieht Kriminalität an

Noch im Verborgenen erleben die Asia-Center in Ostdeutschland einen kleinen Boom, der zunehmend auch zwielichtige Gestalten anzieht.

Das älteste Asia-Center Deutschlands in der Rhinstraße im Berliner Bezirk Marzahn ist fünf Jahre alt. Wer hier einen Laden hat, verkauft Textilien, Geschenkartikel und asiatische Lebensmittel an die vielen Vietnamesen aus Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, die einen Wochenmarktstand oder einen Laden betreiben. 40 der 50 Großhändler hier sind selbst Vietnamesen, die anderen stammen aus Indien, Pakistan, China oder der Türkei. Viele der Großhändler importieren die Billigartikel aus ihren Herkunftsländern. Als das Asia-Center entstand, war es eine wirtschaftliche Notwendigkeit, dass viele Familienbetriebe ihre Waren unter einem Dach anbieten. Nur so konnten sie Kunden anziehen. Wenn die Einzelhändler fürs Geschäft einkaufen, nehmen sie vietnamesische Zeitungen und Videokassetten mit, kaufen Lebensmittel für den Eigenbedarf oder besuchen die Karaoke-Bar im Center. Um den Handel herum haben sich Dienstleister für Vietnamesen angesiedelt: Dolmetscher- und Steuerberatungsbüros, Versicherungsvertreter, Reisebüros. Asia-Center sind ein florierender Wirtschaftszweig. In Berlin gibt es inzwischen drei in den Bezirken Marzahn und Lichtenberg. Drei oder vier weitere könnten noch in diesem Jahr eröffnen. Acht Asia-Center existieren in Leipzig, je zwei bis drei in Magdeburg, Erfurt, Chemnitz und Dresden. Aus der wirtschaftlich bedingten Konzentration sind allerdings auch geschlossene Gesellschaften geworden, die kaum der Integration dienen und Kriminalität anziehen. Im vergangenen Sommer wurden drei Vietnamesen vor dem Berliner Landgericht zu Haftstrafen zwischen zweieinhalb und dreieinhalb Jahren verurteilt, weil sie bei einem Imbissbetreiber in einem inzwischen geschlossenen Asia-Center in Berlin-Hohenschönhausen Schutzgelder erpresst hatten. »Das ist die einzige Schutzgelderpressung in einem Asia-Markt in Berlin, die zur Anzeige kam«, sagt Eva-Maria Holzer vom Berliner Landeskriminalamt. »Wir vermuten, dass nicht jeder Fall der Polizei bekannt wurde.« Die Schutzgelderpresser waren ehemalige »Soldaten« von Zigarettenmafiabanden, die wenige Wochen zuvor ihre Haftstrafen abgesessen hatten. In Erfurt und Leipzig werden nach Polizeiangaben in einigen Asia-Centern auch Drogen gehandelt. Diese seien zeitweilig ein örtlicher Kriminalitätsschwerpunkt, erklärt Bernd-Michael Baberske vom Polizeipräsidium Leipzig, auch wenn die Kriminalität nur von einer kleinen Zahl der dort ansässigen Händler sowie von Kunden ausgeht, die die Anonymität dieser Center ausnutzen. Er nennt als Delikte Brandstiftung, Raub, Erpressung, Diebstahl, Handel mit Textil-Duplikaten, Steuerdelikte und Verstöße gegen das Außenhandelsgesetz. Möglich sind diese Entwicklungen geworden, weil dieser Wirtschaftszweig sich wie eine geschlossene Gesellschaft, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit entwickelt hat und weil viele der dort ansässigen Vietnamesen außerhalb dieser Kreisläufe kaum soziale Kontakte haben. Selbst der Verband Vietnamesischer Unternehmer in Deutschland und sein Generalsekretär Nguyen Sy Phuong, Manager eines Asia-Centers in Leipzig, arbeiten so im Verborgenen, dass man sie weder bei der Industrie- und Handelskammer noch bei der Deutsch-Vietnamesischen Gesellschaft kennt. Das Asia-Center in der Rhinstraße in Berlin-Marzahn könnte ein Vorzeigezentrum sein, wenn die Vietnamesen die Öffentlichkeit nicht so scheuen würden. Die Vermieterfirma DIBAG und Manager Le Can achten peinlich darauf, dass sich neue Mieter beim Gewerbeamt anmelden. Sie lassen sich Untermietverträge zur Genehmigung vorlegen. Was selbstverständlich klingt, ist es keinesfalls. Das Landesarbeitsamt Berlin und das Bezirksamt Lichtenberg führten im Dong-Xuan-Center in der Siegfriedstraße im vergangenen November eine gewerberechtliche Prüfung durch, weil den Behörden nur vier Gewerbeanmeldungen und kaum Arbeitsverträge für die riesige Halle vorlagen. Das Landesarbeitsamt zählte 41 Verstöße gegen das Gewerbe- und Arbeitsrecht. Anders als das deutsche wird das vietnamesische Recht in den Asia-Centern peinlich eingehalten. In den Zeitungsregalen liegen nur lizenzierte vietnamesische Publikationen aus. Exilblätter haben hier keine Chance, verkauft zu werden. Grund dafür seien regelmäßige Rundgänge der vietnamesischen Botschaft, weiß Vu Quoc Dung von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte. Anders als vietnamesische kümmern sich deutsche Behörden - die Polizei ausgenommen - kaum um die Asia-Center, die in den großen ostdeutschen Städten auch soziale Brennpunkte sind. »Es gibt viele Händler, die kein offizielles Gewerbe angemeldet haben und dadurch den Schutzgelderpressern ausgeliefert sind«, klagt die Berliner SPD-Politikerin Thuy Nonnemann, die aus Vietnam stammt. Sie fordert die Behörden auf, mit den Händlern Gesprächsformen zu institutionalisieren. »Das ist die einzige Chance, dass sie die Behörde...

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