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  • Brandenburg
  • Umfangreiche Sanierungsmaßnahmen für Berlins größte Wasserfläche begannen

Müggelsee soll wieder „klare Sache“ werden

  • Lesedauer: 3 Min.

(ND). Ein „wogendes Meer von Halmen“ notierte Theodor Fontane, als er während seiner Wanderungen durch die Mark Brandenburg an den stillen Ufern des Müggelsees verweilte. Heute würde sich seine Begeisterung in Grenzen halten: Der Schilfgürtel rund um den mit 7,4 Quadratkilometer Wasserfläche größten Berliner See wird immer schmaler.

1969 entstanden die ersten Luftaufnahmen. Damals erstreckte sich das Röhricht noch über 21,5 Hektar. 20 Jahre später war der Bestand auf die Hälfte geschrumpft. Die Wellen der Ausflugsdampfer, Frachtschiffe und Motorboote sind ein Grund dafür, daß immer mehr Pflanzen ihren Halt auf dem Seegrund verlieren und entwurzelt wegtreiben. Dem soll jetzt ein Ende gesetzt werden.

Seit Herbst sind an der Uferzone zwischen den Gaststätten „Rübezahl“ und „Müggelseeperle“ Wasserbauer am Werk, um das vorhandene Röhricht und die geplanten Neuanpflanzungen zu schützen. Der Arm des Hydraulikbaggers,

der auf einem Ponton schwimmt, greift einen der drei Meter langen Kiefernpfähle vom Stapel und rammt ihn ins eisige Wasser. Langsam, Stück für Stück, wächst eine doppelte Reihe. Später werden die Zwischenräume mit einem Geflecht aus Weidenruten aufgefüllt, durch das Fische und andere Wasserlebewesen hindurchschlüpfen können. Ins tiefere Wasser wird noch eine einfache Reihe von Palisaden gesetzt.

„So entsteht eine hölzerne Barriere vor dem Schilf, an der sich die Wellen brechen“, erklärt Bauleiter Jürgen Knetsch das Prinzip dieser „Lahnung“. „Auch die Wasservögel kommen endlich zur Ruhe. Teilweise schwankte das Schilf so stark, daß die Eier zur Brutzeit aus den Nestern fielen“. Wenn das Wetter einigermaßen mitspielt, werden die Arbeiten rechtzeitig beendet sein, bevor im April wieder die Ausflugsdampfer der Weißen Flotte auf Fahrt gehen.

Der Große Müggelsee hat viele Funktionen: Wasserstraße, kommerziell befischtes Gewässer, Er-

holungsgebiet, Naturreservat. Und mehr noch: Bis zum Sommer 1990 wurde dem See Oberflächenwasser entnommen, Um den Bedarf der umliegenden Ortschaften und Industriegebiete zu befriedigen. Steigende Gebühren und die Stillegung zahlreicher angrenzender Betriebe haben den Verbrauch zwar gesenkt, aber je schneller sich die wirtschaftliche Lage Berlins bes,sert, um so eher wird wieder auf Seewasser zurückgegriffen. Für diesen Zeitpunkt muß man gerüstet sein.

Das gilt auch für den Kleinen Müggelsee. „Die geringe Wassertiefe, der ungenügende Durchfluß und die hohen Temperaturen haben die Algen prächtig gedeihen lassen“, so der Wasserwirtschaftler Henner Witt von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Die Algen verbrauchen viel Sauerstoff, sterben ab und bilden auf dem Grund eine dicke Faulschicht. Im Frühjahr sollen Bagger rund 260 000 Kubikmeter Naßschlamm beseitigen, um die Wasserqualität zu verbessern.

Die Schadstoffwerte vom Grund des Sees sind an Land allerdings längst überschritten. Anliegende Industriegebiete wie Oberschöneweide oder Rummelsburg haben die Böden stark belastet. Jetzt müssen sie dringend saniert werden, bezieht doch der Ostteil der Stadt sein Trinkwasser zu 90 Prozent aus dem Grundwasser. Ein Schmutzwasser-Kanalnetz von rund 100 Kilometern Länge soll künftig dafür sorgen, daß die Abwässer der privaten und industriellen Anlieger nicht ungeklärt versickern.

Darüber hinaus wird auf dem Gelände der ehemaligen Gaskokerei eine Grundwasserreinigungsanlage mit zwei Filterstufen errichtet. Zuerst werden die organischen Schadstoffe an Luftblasen gebunden. Der zweite Schritt ist das Aufsaugen der leichtflüchtigen Stoffe über Aktivkohlefilter. „Was so gereinigt dann überirdisch in die Spree fließt, kann man ohne Bedenken akzeptieren“, ist sich Bauleiter Andreas Rodel sicher.

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