Design ist wie Brötchenbacken

Erik Spiekermann über Gestaltung in der Mediengesellschaft

Erik Spiekermann, der als Gestalter-Legende gilt, begann seine Karriere mit dem Drucken von Flugblättern im Westberlin der 60er Jahre. Er studierte Kunstgeschichte und wurde als Autodidakt zu einem international anerkannten Typografen. Nach Jahren in London gründete er 1979 die Meta-Design plus GmbH, die später zur Meta Design AG wurde. Der Name - auch eine seiner bekanntesten Schriften heißt Meta - sollte Programm sein: große Entwürfe für Unternehmen und deren Marken. Er gilt als einer der Pioniere in Sachen »Corporate Design«. Bekannte Kunden waren das Land Berlin, die Berliner Verkehrsbetriebe, Audi und Volkswagen. In der Folge des Internet-Booms expandierte Meta schnell: Büros in San Francisco, London und Zürich wurden eröffnet. In den Hochzeiten war Meta-Design die größte deutsche Design-Agentur und beschäftigte mehr als 200 Angestellte. Gründer Spiekermann schied 2001 aus der Firma aus und startete mit United designers network in Berlin neu. Derzeit überarbeitet er das Erscheinungsbild der Deutschen Bahn. Seit 1995 lädt Spiekermann einmal im Jahr zum Designerfachkongress »Typo« nach Berlin. Die achte Ausgabe widmete sich erst kürzlich dem Thema »Humor«.

ND: Design und Gestaltung von Drucksachen befinden sich, seitdem es Computer und Programme wie Word gibt, in Volkes Händen. Wie steht es um die Qualität?
Spiekermann: Die Basis der Pyramide hat sich verbreitert. Die Fachleute müssen sich deshalb neue Aufgaben suchen. Keiner bezahlt mehr einen Grafiker dafür, dass er eine Speisekarte entwirft, das kann jeder selber. Was heute ein Laie macht, ist von der optischen Qualität her zehn Mal besser, als das, was ein Fachmann vor 30 Jahren gemacht hat. Grundsätzlich ist die Verbreitung der Basis immer der allgemeinen Qualität förderlich.

Das Design ist also besser geworden?
Ja, rein technisch ist das, was wir heute machen, sehr viel besser als das, was wir vor 20 Jahren gemacht haben. Früher gab es viel Herrschaftswissen: Wenn man eine Broschüre haben wollte, musste man zu einem Schriftsetzer gehen, zu einem Lithographen und zu einem Drucker. Heute ist das nicht mehr nötig - mit dem Vorteil, dass es jeder machen kann. Es hat aber auch Nachteile: Die Design-Studenten heute müssen mit einem Computer umgehen können, sie müssen sich Wissen über Fototechnik aneignen und müssen über Schriftsatz und Drucken Bescheid wissen. Das mussten wir früher gar nicht. Man gab vieles an den jeweiligen Fachmann weiter, der mit seinem Herrschaftswissen einen gewissen Qualitätsstandard garantierte.
Heute ist durch die Verschmelzung vieler Arbeitsschritte in einer Hand vielleicht diese Qualität zum Teil gesunken. Andererseits ist das Angebot an Grafik-Software inzwischen so groß, dass, wenn man die Software nur für sich benutzt, schon ein gewisses Qualitätsniveau einfach da ist. Und das ist höher als das, was vor 20 Jahren viele Fachleute gemacht haben. Wenn ich das sage, werden mich meine Kollegen steinigen, aber es ist so.

Ihre Branche befindet sich in einem starken Umbruch und viele Grafiker sind nicht erfreut, dass die Speisekarte vom Gastronomen selbst gemacht wird.
Das ist lächerlich. Keiner geht vier Jahre auf die Hochschule um dann solche Sachen zu machen. Es warten genügend Aufgaben auf uns, für die man eine Mischung aus wissenschaftlicher und künstlerischer Ausbildung braucht, da können wir auf manches Standardgeschäft früherer Tage verzichten.

Wie groß ist der Einfluss von Werbefachleuten und Gestaltern wirklich?
Design ist eine dieser unbekannten Wissenschaften. Es ist wie das Brötchenbacken: Keiner weiß, wie ein Brötchen gebacken wird, keiner kennt den Bäcker beim Namen, aber jeder isst Brötchen - jeden Morgen. Als Schriftfuzzi bin ich so ein Brötchenbäcker. In vielen Druckstücken kommt eine Schrift von mir vor.

Einige ihrer Brötchen wie die Schriftfamilien Officina oder Meta gelten als moderne Klassiker und können von jedem auf dem heimischen Computer genutzt werden. Den Schöpfer kennen nur wenige Fachleute, stört Sie das?
Natur von Schriften ist, dass keiner weiß, wer sie gemacht hat. Ich finde das wunderbar. Im Gegensatz zu anderen bin ich nicht daran interessiert, meinen Namen überall zu sehen, sondern mehr an den Ergebnissen meiner Arbeit. Ich finde es toll, dass zum Beispiel die Busse in Berlin gelb sind, weil ich sie gelb gemacht habe. Das weiß aber keiner außer mir.

Lange Zeit stand der Name Erik Spiekermann auch synonym für ihre Firma Meta-Design, die das Erscheinungsbild vieler bekannter Unternehmen gestaltete - inzwischen nicht mehr, warum?
Ich habe 1979 die Firma mit Freunden gegründet, die gibt es immer noch. Ich bin aber seit zwei Jahren raus. Meta-Design entwickelte sich seit Mitte der 80er Jahre nicht nur zu Deutschlands größtem Design-Büro sondern auch zu einem der bekanntesten in der Welt. In Deutschland wirkte sie durch viele Leute ein bisschen wie ein Durchlauferhitzer. Es gibt kaum jemanden, der nicht mal bei mir in den letzten 20 Jahren gearbeitet hat. Wir haben das, was man heute »Corporate Design« oder »Branding« nennt, nach Deutschland gebracht. Das gab es früher nur in England, wo ich es auch erlernt habe. Als wir anfingen, hatte das größte deutsche Design-Büro 12 Leute, das war schon groß. Wir haben gezeigt, dass man mit einer großen Bude auch ordentliche Qualität liefern kann. Am Problem der Größe sind wir aber auch gescheitert.

Wie kam es zur Krise?
Qualität zu halten und gleichzeitig Geld zu verdienen, das ist ein großer Spagat, den ich nicht geschafft habe. Ohne Qualität gibt es kein Geld. Das haben die Leute bei Meta zu spät gemerkt. Ich ging, als meine Partner verstärkt ins Beratungsgeschäft einsteigen wollten. Diese ganze Unternehmensberatung ist Gewäsch, wo man heiße Luft präsentiert und dann abhaut. Berater übergeben einen Haufen Papier, und wenn es nicht funktioniert, dann ist immer der Auftraggeber selbst schuld gewesen. Das finde ich ein unlauteres Gewerbe. Grafiker hinterlassen wenigstens etwas, was man beurteilen kann, und daran werden wir gemessen.

Aufstieg und Fall von Meta-Design hing auch mit dem Lebenszyklus der so genannten New Economy zusammen.
Meine Kollegen wollten in diese Richtung, wo am Anfang des Booms das große Geld versprochen wurde. Ich habe gesagt, wenn wir jetzt aufs Geld sehen, mit Controllern und Betriebswirten, dann leidet die Gestaltung. Nein, nein, das könne man hinkriegen, meinten die anderen. Wenn nach Stundenzetteln und nicht mehr nach der Qualität der Arbeit beurteilt wird, dann leidet letztere. So ist Kapitalismus: Wenn die Ware nicht mehr gut ist, nicht mehr einzigartig, geht der Preis runter. Früher hat nie einer mit uns über Geld geredet, weil wir einfach besser waren als der Rest. Man kam zu uns, wenn man etwas Besonderes haben wollte.

Ärgern Sie sich über die Kreationen anderer?
Ich ärgere mich andauernd, aber die Vielfalt ist mir lieber als die Abwesenheit von Vielfalt. Lieber drei oder vier Fehler und dafür ein paar gute Leistungen. Ich bin altersmild. Früher wollte ich immer Typografie-Minister werden und manches verbieten. Das will ich nicht mehr.

Die PDS benutzt seit einiger Zeit auch ihre Meta...
Das wusste ich gar nicht. Das finde ich interessant. Vor zwei Jahren habe ich mich geärgert, als ich in Österreich war. Da hatte die FPÖ, die Glatzenpartei von Haider, die Meta eingesetzt. Auch die CDU in Berlin vor ein paar Jahren. Da habe ich mich wirklich geärgert. Es ist auch falsch, man sucht sich eine Schrift aus, die zu einem passt. Die Meta ist nun mal etwas locker, ein bisschen nicht zu Ende gebracht, ein bisschen bunt und ein bisschen antiautoritär. Ein bisschen mehr Turnschuh als Stiefel. Parteien wollen sich auf diese Art anbiedern. Aber das merkt das berühmte Volk, das ja bekanntlich nicht »tümlich« ist.

Aber zu Grünen und PDS passt ein Turnschuh?
Das ist doch einfach, es gibt ja zwei PDS. Die, zu der ich tendiere, ist für Leute wie mich, die zwar keine DKP-Traditionalisten sind, sondern eine Alternative brauchen. Da passt es dann schon.

Interview: Christoph NitzND: Design und Gestaltung von Drucksachen befinden sich, seitdem es Computer und Programme wie Word gibt, in Volkes Händen. Wie steht es um die Qualität?
Spiekermann: Die Basis der Pyramide hat sich verbreitert. Die Fachleute müssen sich deshalb neue Aufgaben suchen. Keiner bezahlt mehr einen Grafiker dafür, dass er eine Speisekarte entwirft, das kann jeder selber. Was heute ein Laie macht, ist von der optischen Qualität her zehn Mal besser, als das, was ein Fachmann vor 30 Jahren gemacht hat. Grundsätzlich ist die Verbreitung der Basis immer der allgemeinen Qualität förderlich.

Das Design ist also besser geworden?
Ja, rein technisch ist das, was wir heute machen, sehr viel besser als das, was wir vor 20 Jahren gemacht haben. Früher gab es viel Herrschaftswissen: Wenn man eine Broschüre haben wollte, musste man zu einem Schriftsetzer gehen, zu einem Lithographen und zu einem Drucker. Heute ist das nicht mehr nötig - mit dem Vorteil, dass es jeder machen kann. Es hat aber auch Nachteile: Die Design-Studenten heute müssen mit einem Computer umgehen können, sie müssen sich Wissen über Fototechnik aneignen und müssen über Schriftsatz und Drucken Bescheid wissen. Das mussten wir früher gar nicht. Man gab vieles an den jeweiligen Fachmann weiter, der mit seinem Herrschaftswissen einen gewissen Qualitätsstandard garantierte.
Heute ist durch die Verschmelzung vieler Arbeitsschritte in einer Hand vielleicht diese Qualität zum Teil gesunken. Andererseits ist das Angebot an Grafik-Software inzwischen so groß, dass, wenn man die Software nur für sich benutzt, schon ein gewisses Qualitätsniveau einfach da ist. Und das ist höher als das, was vor 20 Jahren viele Fachleute gemacht haben. Wenn ich das sage, werden mich meine Kollegen steinigen, aber es ist so.

Ihre Branche befindet sich in einem starken Umbruch und viele Grafiker sind nicht erfreut, dass die Speisekarte vom Gastronomen selbst gemacht wird.
Das ist lächerlich. Keiner geht vier Jahre auf die Hochschule um dann solche Sachen zu machen. Es warten genügend Aufgaben auf uns, für die man eine Mischung aus wissenschaftlicher und künstlerischer Ausbildung braucht, da können wir auf manches Standardgeschäft früherer Tage verzichten.

Wie groß ist der Einfluss von Werbefachleuten und Gestaltern wirklich?
Design ist eine dieser unbekannten Wissenschaften. Es ist wie das Brötchenbacken: Keiner weiß, wie ein Brötchen gebacken wird, keiner kennt den Bäcker beim Namen, aber jeder isst Brötchen - jeden Morgen. Als Schriftfuzzi bin ich so ein Brötchenbäcker. In vielen Druckstücken kommt eine Schrift von mir vor.

Einige ihrer Brötchen wie die Schriftfamilien Officina oder Meta gelten als moderne Klassiker und können von jedem auf dem heimischen Computer genutzt werden. Den Schöpfer kennen nur wenige Fachleute, stört Sie das?
Natur von Schriften ist, dass keiner weiß, wer sie gemacht hat. Ich finde das wunderbar. Im Gegensatz zu anderen bin ich nicht daran interessiert, meinen Namen überall zu sehen, sondern mehr an den Ergebnissen meiner Arbeit. Ich finde es toll, dass zum Beispiel die Busse in Berlin gelb sind, weil ich sie gelb gemacht habe. Das weiß aber keiner außer mir.

Lange Zeit stand der Name Erik Spiekermann auch synonym für ihre Firma Meta-Design, die das Erscheinungsbild vieler bekannter Unternehmen gestaltete - inzwischen nicht mehr, warum?
Ich habe 1979 die Firma mit Freunden gegründet, die gibt es immer noch. Ich bin aber seit zwei Jahren raus. Meta-Design entwickelte sich seit Mitte der 80er Jahre nicht nur zu Deutschlands größtem Design-Büro sondern auch zu einem der bekanntesten in der Welt. In Deutschland wirkte sie durch viele Leute ein bisschen wie ein Durchlauferhitzer. Es gibt kaum jemanden, der nicht mal bei mir in den letzten 20 Jahren gearbeitet hat. Wir haben das, was man heute »Corporate Design« oder »Branding« nennt, nach Deutschland gebracht. Das gab es früher nur in England, wo ich es auch erlernt habe. Als wir anfingen, hatte das größte deutsche Design-Büro 12 Leute, das war schon groß. Wir haben gezeigt, dass man mit einer großen Bude auch ordentliche Qualität liefern kann. Am Problem der Größe sind wir aber auch gescheitert.

Wie kam es zur Krise?
Qualität zu halten und gleichzeitig Geld zu verdienen, das ist ein großer Spagat, den ich nicht geschafft habe. Ohne Qualität gibt es kein Geld. Das haben die Leute bei Meta zu spät gemerkt. Ich ging, als meine Partner verstärkt ins Beratungsgeschäft einsteigen wollten. Diese ganze Unternehmensberatung ist Gewäsch, wo man heiße Luft präsentiert und dann abhaut. Berater übergeben einen Haufen Papier, und wenn es nicht funktioniert, dann ist immer der Auftraggeber selbst schuld gewesen. Das finde ich ein unlauteres Gewerbe. Grafiker hinterlassen wenigstens etwas, was man beurteilen kann, und daran werden wir gemessen.

Aufstieg und Fall von Meta-Design hing auch mit dem Lebenszyklus der so genannten New Economy zusammen.
Meine Kollegen wollten in diese Richtung, wo am Anfang des Booms das große Geld versprochen wurde. Ich habe gesagt, wenn wir jetzt aufs Geld sehen, mit Controllern und Betriebswirten, dann leidet die Gestaltung. Nein, nein, das könne man hinkriegen, meinten die anderen. Wenn nach Stundenzetteln und nicht mehr nach der Qualität der Arbeit beurteilt wird, dann leidet letztere. So ist Kapitalismus: Wenn die Ware nicht mehr gut ist, nicht mehr einzigartig, geht der Preis runter. Früher hat nie einer mit uns über Geld geredet, weil wir einfach besser waren als der Rest. Man kam zu uns, wenn man etwas Besonderes haben wollte.

Ärgern Sie sich über die Kreationen anderer?
Ich ärgere mich andauernd, aber die Vielfalt ist mir lieber als die Abwesenheit von Vielfalt. Lieber drei oder vier Fehler und dafür ein paar gute Leistungen. Ich bin altersmild. Früher wollte ich immer Typografie-Minister werden und manches verbieten. Das will ich nicht mehr.

Die PDS benutzt seit einiger Zeit auch ihre Meta...
Das wusste ich gar nicht. Das finde ich interessant. Vor zwei Jahren habe ich mich geärgert, als ich in Österreich war. Da hatte die FPÖ, die Glatzenpartei von Haider, die Meta eingesetzt. Auch die CDU in Berlin vor ein paar Jahren. Da habe ich mich wirklich geärgert. Es ist auch falsch, man sucht sich eine Schrift aus, die zu einem passt. Die Meta ist nun mal etwas locker, ein bisschen nicht zu Ende gebracht, ein bisschen bunt und ein bisschen antiautoritär. Ein bisschen mehr Turnschuh als Stiefel. Parteien wollen sich auf diese Art anbiedern. Aber das merkt das berühmte Volk, das ja bekanntlich nicht »tümlich« ist.

Aber zu Grünen und PDS passt ein Turnschuh?
Das ist doch einfach, es gibt ja zwei PDS. Die, zu der ich tendiere, ist für Leute wie mich, die zwar keine DKP-Traditionalisten sind, sondern eine Alternative brauchen. Da passt es dann schon.

Interview: Christoph Nitz

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