Rumsfeld verteilte wieder Watschen

Pflaumenweiche Antworten der Bundesregierung auf PDS-Anfrage zur Anti-Terror-Politik der USA

Nicht anecken, war auch beim gestrigen Treffen Rumsfeld-Struck die deutsche Devise. Dabei wächst selbst in den USA die Kritik an der Washingtoner Anti-Terror-Politik.

Ein richtiges Gespräch war gar nicht geplant, obwohl USA-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bei seinem ersten Deutschland-Besuch nach dem Irak-Krieg mit Amtskollegen Peter Struck im selben Raum weilte. Begrüßung und ein bisschen Small-Talk, mehr erwartete man nach den verbalen Washingtoner Watschen der letzten Monate beim Festakt zum zehnjährigen Jubiläum des deutsch-amerikanischen Marshall-Centers für Sicherheitspolitik im oberbayerischen Garmisch-Partenkirchen gar nicht. Dass sich der Pentagon-Chef dann doch herabließ, wurde schon als Erfolg gefeiert. Struck deutet dabei die Prüfung eines deutschen Engagements in einem so genannten regionalen Wiederaufbau-Team in Afghanistan an. Eine erste Erkundungsgruppe ist am Dienstag Richtung Kabul gestartet. Und alle waren erleichtert, als Rumsfeld verkündete, die wegen des Irak-Krieges schwer belasteten deutsch-amerikanischen Beziehungen normalisierten sich wieder - um wenig später demonstrativ das Engagement der osteuropäischen Staaten im Irak-Krieg zu loben, während er die Kriegsgegner Deutschland und Frankreich mit Ignoranz strafte. Die Unterscheidung zwischen dem alten und dem neuen Europa sei heute keine Sache von Alter, Größe oder Geographie: »Es ist eine Frage der Haltung - der Vision, die Länder zusammenbringt zu einem transatlantischen Verhältnis.« Kritische deutsche Fragen verboten sich da offensichtlich. »Interessant wär's zwar schon«, was die USA zu den ausbleibenden Beweisen für Bagdader Massenvernichtungswaffen und damit zum vorgeblich wichtigsten Kriegsgrund zu sagen hätten, räumte Struck gestern in einem Fernsehinterview ein. Doch wollte er sich das Thema verkneifen. Vielleicht heute, am Rande der Sitzung der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel. Und während London gerade die Zustände in Guantanamo scharf kritisiert hat, gibt es auch in dieser Frage vornehme Berliner Zurückhaltung. Die britische Regierung hat Washington dagegen aufgefordert, die »anomale Lage« der Gefangenen auf der USA-Militärbasis umgehend zu beenden. Man erwarte eine Behandlung nach internationalen Standards - »das haben wir gegenüber der USA-Regierung sehr deutlich gemacht«, wie Vize-Außenminister Mike O'Brien am Dienstag vor dem Parlament erklärte. Die USA halten auf Guantanamo mehr als 650 Verdächtige fest, die während des Afghanistan-Krieges Ende 2001 als mutmaßliche Al-Qaida- oder Taliban-Mitglieder inhaftiert wurden. Die meisten sitzen unter menschenunwürdigen Bedingungen seit 16 Monaten in Haft, ohne dass Anklage gegen sie erhoben wurde. Immer wieder gibt es Berichte über Misshandlungen. Die Bush-Regierung stuft die Inhaftierten als »gesetzlose Kämpfer« ein und verweigert ihnen den Status als Kriegsgefangene. Das alles war auch Anlass für die PDS-Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch, bei der Bundesregierung nachzustoßen. Pflaumenweich die Antwort von Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt. Da keine deutschen Staatsangehörigen in Guantanamo festgehalten würden, habe man auch kein Zugangsrecht und so auch keine eigenen Erkenntnisse. Aber man sei mit der USA-Regierung im »Dialog« über den »völkerrechtlich umstrittenen Status der Gefangenen«, der »einer Klärung und raschen Lösung bedarf.« Aber nicht so schnell, dass Bundeskanzler Schröder es etwa auf dem G8-Gipfel zum Thema gemacht hätte. So wenig wie die angeblichen irakischen Massenvernichtungswaffen. Das Thema soll weiterhin im Rahmen der Vereinten Nationen behandelt werden, schrieb die grüne Politikerin. Dabei gerät Präsident Bush selbst im eigenen Land immer stärker unter Druck. Die Opposition ist endlich aufgewacht. Es gebe deutliche Hinweise, dass die Geheimdienstinformationen zu Irak im Interesse des Weißen Hauses schöngefärbt waren, betonte jetzt der einflussreiche demokratische Senator Carl Levin und fordert eine Kongressuntersuchung. Schließlich stehe die Glaubwürdigkeit der US-amerikanischen Dienste und Politik auf dem Prüfstand, ohne die es viel schwieriger wäre, »die Welt zu führen«. Der Militär- und Geheimdienstexperte steht mit dieser Sicht nicht allein. Wie der Nachrichtensender CNN berichtete, unterstützen inzwischen auch Republikaner eine formelle Untersuchung durch den Kongress. Bushs Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice hat deshalb schon die verbale Keule geschwungen: Das sei eine »revisionistische Geschichtsbetrachtung«. Und doch ändert sich zumindest die Sprachregelung im Weißen Haus vorsichtig. Hatte sich Rumsfeld gerade noch sicher gezeigt, dass man den heiß gesuchten Kriegsgrund schon noch finden werde, sprach sein oberster Dienstherr jetzt erstmals nicht mehr von Chemie- und Biowaffenarsenalen, sondern nur noch davon, dass Irak »Waffenprogramme« gehabt habe. Das aber bestritt nicht einmal das Bagdader Regime. Die UNO-Waffeninspektoren haben diese Programme detailliert nachgewiesen. Nur dass sie noch eine aktuelle Bedrohung, zumal für die USA, waren, bezweifelt nicht allein die »Washington Post«. Hinzu kommt, dass zwei der wichtigsten inhaftierten Terrorverdächtigten, die Al-Qaida-Führungsmitglieder Abu Subaida und Chalid Scheich Mohammed, laut »New York Times« aussagten, dass Osama bin Laden eine Zusammenarbeit mit Saddam Hussein stets abgelehnt habe, weil er ihm nicht verpflichtet sein wollte. Diese angebliche Zusammenarbeit aber musste als zweiter großer Kriegsgrund der USA herhalten. Hans Blix, der scheidende Chef der UNO-Waffeninspekteure, hofft, dass künftig keine Kriege oder Präventivaktionen mehr auf der Basis »fehlerhafter Unterlagen« begonnen werden. Hörte man gestern Rumsfelds Vorwürfe in Sac...

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