Von den Genossen abgeschoben
Zwischen Rebellion und Parteidisziplin - Porträt eines Kulturministers
Ich hatte den Eindruck, dass der gute Ruf, der ihm vorauseilte - er besitze Einfühlungsvermögen, sei sachlich und klug - berechtigt war.« Dies bemerkt Hermann-Ernst Schauer über seinen Kollegen Hans-Joachim Hoffmann, Kulturminister der DDR von 1973 bis 1989. Diese und weitere Erinnerungen an den »tatkräftigen Grübler«, wie Hermann Kant einst Hoffmann nannte, sind nun in einem Buch gebündelt, das ein eindrucksvolles Porträt zeichnet.
Sie sei zunächst skeptisch gewesen, gestand die Witwe jüngst bei der Buchpremiere in Berlin, »denn Jochen hätte selbst nie eine Biografie geschrieben«. Angeregt durch Freunde und Künstler fragte »Traudl« Hoffmann zunächst im In- und Ausland bei ehemaligen Kollegen, bei Freunden und Bekannten nach und erntete durchweg positives Echo, worauf hin eine Arbeitsgruppe zur Realisierung des Projekts gebildet wurde. Ihr gehörten Karl-Heinz Schulmeister, einst 1. Bundessekretär des Kulturbundes der DDR, Helmut Tautz, ehemaliger Hauptabteilungsleiter internationale Beziehungen im Ministerium für Kultur der DDR, Klaus Höpcke, Ex-Vize-Kulturminister, sowie Richard Wilhelm, Glasgestalter, an. Mit Brigitte Zimmermann als Lektorin trugen sie in vierjähriger Arbeit die Erinnerungen von 49 Personen zusammen, Künstlern, Politikern, Theaterintendanten und Hochschulrektoren. In allen Essays kommen die Bewunderung und Anerkennung für Hoffmanns Arbeit und Bedauern über seinen frühen Tod zum Ausdruck. Horst Grunert, einst Botschafter der DDR in den USA und Österreich charakterisiert jenen als »hoch qualifiziert, gebildet, den sozialistischen Idealen verbunden, verantwortungsbewusst. Aber auch dünnhäutig, verletzbar«. In Ost wie West wurde der kulturvolle und sensible Politiker geschätzt. Doch die eigenen Genossen im Führungsgremium der Partei spielten ihm böse mit. Auch darüber berichtet dieses Buch. Es offenbart die innere Zerrissenheit des Kulturministers, der auch Entscheidungen verteidigen musste, hinter denen er nicht hundertprozentig stand. Zugleich lässt es uns wissen, dass er - auch wenn er kein Systemkritiker war - stets seine Meinung sagte. Auch wenn sie nicht erwünscht war, gerade dann. Hoffmanns Leben habe sich im Spannungsfeld zwischen dem Ideal eines reformierten, demokratischen Sozialismus und dem Dogma des realen Sozialismus der DDR - dem Widerspruch zwischen Rebellion und Parteidisziplin - bewegt, schreibt Herrmann-Ernst Schauer.
Schließlich wurde dem Kulturminister »parteischädigendes Verhalten« und »mangelnde Wachsamkeit« vorgehalten. Günter Schabowksi stellte ihn in die Reihe von »Renegaten«, die mit Eduard Bernstein begonnen habe und denen der Weg alles und das Ziel nichts sei. Über diese unwürdige und ungerechte Diffamierung auf der 12. Plenartagung des ZK der SED 1988 schreibt Manfred Wekwerth. Anlass war damals ein Interview unter dem Titel »Das Sicherste ist die Veränderung«, das Hoffmann für die westdeutsche Zeitschrift »Theater heute« gegeben und in dem er offen die kulturpolitischen Probleme in der DDR benannt hatte. Er wurde sogleich zu Kurt Hager ins ZK zitiert. Nach dem Treffen erlitt Hoffmann seinen ersten Herzanfall. Kurz nach seinem 60. Geburtstag stand er vor den Trümmern seiner Arbeit, schreibt seine Frau. Er fühlte sich abgeschoben und nicht mehr gebraucht und wurde immer depressiver. 1994 starb Hoffmann an seinem zweiten Herzanfall.
Angetreten war er 1945, ein neues, demokratisches, sozialistisches Land aufzubauen und mitzugestalten. Hoffmann konstituierte den Rat für Kultur neu, demokratisierte seinen Verantwortungsbereich und belebte die kulturellen Beziehungen der DDR zu kapitalistischen Industriestaaten in den 70er und 80er Jahren. »Große Künstler gehören der ganzen Welt«, war sein Motto. Als ein besonderes Verdienst würdigt Thomas Flierl, Berlins Kultursenator, in seiner Einleitung, dass es Hoffmann gelungen ist, 1988 die Ausstellung »Topographie des Terrors« aus Westberlin nach Ostberlin zu holen.
Hoffmann musste erleben, wie seine Hoffnungen zerstoben - verschuldet durch die Partei, der er angehörte: Die DDR ging unter. Nach der Wende hat er sich nicht mit denen in eine Reihe stellen wollen, die urplötzlich eine Umwertung aller Werte für sich vornahmen und auf den Staat spuckten, dem sie gedient und an dem sie verdient haben und der durch ihre Verantwortungslosigkeit nicht ein...
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