Wasserleitungen wie rostige Siebe

Folgen der Dürre sind auch hausgemacht

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.

Die Natur ist nicht allein für die Dürre verantwortlich - die Infrastruktur wurde jahrzehntelang vernachlässigt. Gewerkschafter fordern den Stopp von Großprojekten zugunsten notwendiger Investitionen in die Wasserversorgung.

An einigen Stellen sieht man dem Po nicht mehr an, dass er der größte Fluss Italiens ist. Bis vor kurzem ein mächtiger Strom, der mit seinen Überschwemmungen ganze Landstriche verwüstete, plätschert er jetzt in einem viel zu großen Bett. Die Brückensockel sind sichtbar, unter einer tauchte sogar eine alte Bombe aus dem Schlamm auf. Der Schiffsverkehr musste fast zur Gänze eingestellt werden. Nebenflüsse wie den Ticino aus dem Lago Maggiore kann man mittlerweile durchwaten. Steinwüsten statt Flusslandschaften.

Niedrigster Wasserstand seit einem Jahrhundert
Die Flüsse in Norditalien haben den niedrigsten Wasserstand seit 100 Jahren erreicht - und eine Besserung ist nicht in Sicht. Die Auswirkungen sind fatal. Die Bauernverbände haben errechnet, dass etwa ein Drittel der Ernte abzuschreiben ist: Mais, Gerste, Heu und Reis vertrocknen, Tomaten, Aprikosen und Wein ebenfalls. Da inzwischen auch das Grundwasser gesunken ist, versiegen die Brunnen. Aus den Flüssen kann man nur noch einen kleinen Teil nötigen Wassers ziehen. Aus der Adria wird immer mehr Salzwasser flussaufwärts geschoben. Die brackige Brühe steht jetzt schon bis zu 25 Kilometer im Landesinneren.
Die Obst- und Gemüsepreise in den norditalienischen Regionen sind um bis zu 30 Prozent gestiegen. Auch in der Viehzucht gibt es Probleme: die Kühe geben aufgrund der Hitze und dem geringeren Futter weniger Milch, die Bienen finden keinen Nektar für den Honig und in den Becken drohen die Forellen zu sterben, da die Wassertemperatur zu hoch wird.
Neben der Landwirtschaft ist die Energieversorgung der zweite große Krisenfall. Am Ufer des Po musste bereits ein Kraftwerk geschlossen werden, da kein Kühlwasser mehr aus dem Fluss gepumpt werden kann. Ein weiteres Werk läuft nur noch auf 50 Prozent seiner Kapazität. Weitere stehen am Rande des Kollaps. Und schon beginnt der Streit um die Verwendung der Wasser-Reste. Der Landwirtschaftsminister scheint entschlossen zu sein: Nach dem Trinkwasser für die Menschen sind erst die Felder und das Vieh dran und dann kommen die Kraftwerke. Der Unternehmerverband sieht das anders: Ohne Strom können die Fabriken nicht funktionieren. Vergangenen Monat gab es schon einen Black-out, der Schäden in Millionenhöhe verursachte. Jetzt sind weitere Energieengpässe zu erwarten - was verheerende Folgen für die sowieso schon angeschlagene Volkswirtschaft Italiens haben könnte.
Inzwischen ist man nahe dran, in Norditalien den Notstand auszurufen. »Wir erleben eine Naturkatastrophe von ungeahntem Ausmaß«, heißt es in den Regionen. Aber mit der »Natur« hat diese Katastrophe wenig zu tun. Eigentlich ist Italien sehr reich an Wasser - besonders im Norden. Aber Italien ist auch das europäische Land mit dem größten Wasserverbrauch pro Kopf. Also fordert die Regierung jetzt zum Sparen auf. Obwohl dies sicherlich löblich wäre, bleibt es doch nur ein Tropfen auf den sprichwörtlichen heißen Stein.

Die Hälfte des Wassers versickert im Nichts
Denn das wirkliche Wasserproblem Italiens liegt in den Leitungen: Seit fast 30 Jahren wurde praktisch nicht mehr in diesen Bereich investiert. So versickert ein Großteil des Wassers. »Unsere Wasserleitungen sind keine Rohre, sondern Siebe«, heißt es in einer Studie der Gewerkschaft CGIL. »Im Norden verlieren wir fast ein Drittel, im Süden über die Hälfte, ohne dass es den Konsumenten erreicht«. Da reicht dann schon ein heißer Sommer zum Vertrocknen des halben Landes. Wenn man sich des Problems endlich annehmen würde - so die CGIL - würde man nicht nur weiteren Wasser- und Stromknappheiten vorbeugen, sondern auch 30000 Arbeitsplätze schaffen.
Geld für die Infrastruktur fordert vor allem der Landwirtschaftsminister: Wenn nötig, so sagt er, müsse Berlusconi eben auf seine Megaprojekte wie die Brücke über die Meerenge von Messina verzichte...

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