»Spezialbehandlung« für Saudi-Arabien

Stunden nach dem 11. September wurden Saudis mit Kontakt zu Bush sen. aus den USA ausgeflogen

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.

Im Auftrag des Weißen Hauses sind am Sonntag hochrangige Vertreter mehrerer Ministerien aus Washington nach Saudi-Arabien gereist, um - so der amtliche Arbeitstitel - Druck auf das Herrscherhaus in Riad in Sachen »Antiterrorkrieg« auszuüben.

Vor allem geht es um die Finanzierung »terroristischer« Organisationen mit saudischen Geldern. Im Hintergrund steht der fast 900 Seiten lange Bericht über die Attentate am 11. September 2001, der vom USA-Kongress zu großen Teilen veröffentlicht wurde. 28 Seiten des Dossiers werden auf Druck von George Bush aus »Gründen der nationalen Sicherheit« weiterhin geheim gehalten. Darin sind laut »New York Times« Namen von saudischen Organisationen und Einzelpersonen genannt, die logistische und finanzielle Unterstützung für die Attentate geleistet haben sollen. In der Samstagsausgabe berichtete die Zeitung unter Berufung auf »Personen, die den Bericht gelesen haben«, dort würden zwei saudische Staatsbürger namens Omar al-Bajumi und Osama Bassnan genannt, die nicht nur enge Kontakte mit zwei der Flugzeugentführer gepflegt, sondern auch im Auftrag des saudischen Geheimdienstes gehandelt hätten. Außerdem sei ein muslimischer Imam, Anwar Aulaqi, in den USA eine zentrale Figur bei der Unterstützung der Selbstmordattentäter gewesen. Die Spione, heißt es weiter, hätten im Rahmen eines »komplexen Netzes finanzieller Verbindungen« mit Beamten der saudischen Regierung operiert. Al Bajumi, ein saudischer Geschäftsmann, soll demnach während seiner Zeit in San Diego Gastgeber für zwei Flugzeugentführer gewesen sein und ihnen zu Ehren sowohl eine Begrüßungsparty veranstaltet und sie danach mit Geld für die erste Wohnungsmiete unterstützt haben. Zwei Monate vor den Anschlägen soll Al Bajumi die USA in Richtung Großbritannien verlassen haben, wo der saudische Ex-Geheimdienstchef Turki Al-Faisal als Botschafter residierte. Die beiden Anfang 2000 nach San Diego umgesiedelten Saudis Khalid al-Midhar und Nawaf al-Hasmi, zwei der mutmaßlichen Flugzeugattentäter, sollen mit al-Bajumi in Kalifornien in Kontakt getreten sein, nachdem sie ein Al-Qaida-Treffen in Malaysia besucht haben sollen. Auch die Rolle des muslimischen Imam Anwar Aulaqi sei näher zu untersuchen, heißt es in den geheimen Passagen des Kongressberichtes laut »New York Times«. Mit ihm seien die beiden genannten Flugzeugentführer in den Bundesstaat Virginia umgezogen, wo sie seine neue Moschee oft besucht hätten. Bereits am Freitag hatten 46 demokratische Senatoren die Veröffentlichung der ominösen 28 Seiten gefordert. Dem schlossen sich auch mehrere hochrangige Republikaner an. Tags zuvor hatte der New Yorker Senator Charles Schumer in einem Brief den saudischen Botschafter in Washington, Prinz Bandar, aufgefordert, für den Rücktritt des Innenministers des Königshauses, Prinz Najef, zu sorgen. Der habe es unterlassen, die saudische Finanzierung von Terrornetzwerken zu verhindern. In einer Senatsdebatte vom gleichen Tag hatte der republikanische Senator Arlen Spector aus Pennsylvania offen ausgesprochen, was seit langem vermutet wird: »Saudi-Arabien wird aus außenpolitischen Gründen abgeschirmt«. Er glaube, dass Saudi-Arabien, dem weltweit größten Ölproduzenten und wichtigen Nahost-Verbündeten der USA, »eine Spezialbehandlung« zuteil werde, wenn die USA die Anschläge vom 11. September untersuchen, nämlich Abschirmung. Vertreter von USA-Geheimdiensten sowie des Finanzministeriums und des Außenamtes kontern die Vorwürfe bislang mit dem Argument, sie würden Geheimhaltungsanordnungen nur deshalb verfügen, um fortlaufende Untersuchungen nicht zu gefährden. Vor allem die National Commercial Bank, die World Assembly of Muslim Youth und die International Islamic Relief Organization, allesamt unter Kontrolle des Königshauses, werden von Kritikern als Organisationen genannt, deren finanzielle Transaktionen äußerst fragwürdig seien. Der ehemalige Vizepräsident des Geheimdienstausschusses im Senat, der Republikaner Richard Shelby aus Alabama, sagte jüngst im Fernsehprogramm »Meet The Press«, seiner Meinung nach könnten 95 Prozent der 28 Seiten freigegeben werden, ohne dass dadurch die nationale Sicherheit gefährdet werde. Im linksliberalen Wochenmagazin »The Nation« wurde unterdessen an die wohl bekannte Tatsache erinnert, dass saudische »Wohlfahrtsorganisationen« Al Qaida in Afghanistan finanzierten, und dass die Bush-Familie, insbesondere Bush Senior, milliardenschwere Verträge mit Saudi-Arabien abschloss, als er Vorstandsmitglied der Carlyle Group war. Außerdem seien Saudis, die in engem Kontakt zu Bush Senior standen, schon Stunden nach dem 11. September 2001 mit saudischen Staatsmaschinen aus den USA ausgeflogen worden, um sie vor unangenehmen Befragungen zu schützen. Dazu zählten auch enge Verwandte von Osama bin Laden. Stark zu zweifeln ist auch an der »Unabhängigkeit« der Washingtoner Regierungsvertreter, die in diesen Tagen in Riad für »Aufklärung« sorgen sollen. Wer nach Saudi-Arabien reisen sollte, wurde vom Nationalen Sicherheitsrat bestimmt, dessen Aufgabe unter anderem dari...

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