Sparkasse in Kommunistenhand

MLPD verklagt Oberbürgermeister von Gelsenkirchen nach Immobiliengeschäft

  • Jochen Bülow
  • Lesedauer: 4 Min.
Provinzposse in Gelsenkirchen: Der Vermögensverwaltungsverein der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) hat den Oberbürgermeister von Gelsenkirchen wegen »Amtsmissbrauch« verklagt.
Als der Sparkasse Gelsenkirchen ihr Geschäftsgebäude im Stadtteil Horst zu eng wurde, tat der Vorstand, was bei einer solchen Gelegenheit jeder gute Vorstand tut: Er suchte einen Käufer, der schnell den geforderten Preis zu zahlen bereit war. Die Suche war bald von Erfolg gekrönt: Der Vermögensverwaltungsverein (VVV) der MLPD zeigte Interesse und bei einem Kaufpreis von damals noch rund einer Million Euro waren sich Käufer und Verkäufer einig. Und wie ebenfalls in solchen Fällen üblich, traf man sich beim Notar und unterzeichnete einen Kaufvertrag. Bis hierhin decken sich die Schilderungen der Beteiligten - doch danach wird es interessant. Denn »obwohl es sich bei der nötigen Zustimmung des Verwaltungsrates der Sparkasse um eine Formalie handeln sollte, scheiterte der Verkauf«, bedauert Stefan Engel, Vorsitzender der MLPD und Vorstand des VVV. Nach seiner Schilderung ist es Oliver Wittke gewesen, der CDU-Oberbürgermeister der Stadt Gelsenkirchen, der sich mit Kommunisten an der als Horster Mitte bekannten Kreuzung nicht abfinden wollte. »Wittke hat amtsmissbräuchlich und zum Schaden des VVV Einfluss auf das Geschäft genommen und aus rein politischen Gründen den Verkauf verhindert«, bestätigt der Rechtsanwalt des VVV, Peter Weispfenning, die Darstellung Engels. Dafür gebe es schriftliche Beweise, Zeugen seien bereit, die Anschuldigungen vor Gericht zu belegen. Und tatsächlich ist der Vorgang fragwürdig: Die Sparkasse hatte sich nämlich nicht nur entschlossen, das Gebäude an den VVV zu verkaufen - sie war auch bereit, das ganze Geschäft mit einem Kredit zu finanzieren. Schwer vorstellbar, dass die Banker nach jahrelangen Geschäftsbeziehungen mit dem VVV inklusive Krediten »offenbar nicht wussten, mit wem sie es zu tun hatten« - so stand es in der Lokalpresse. »Rote Fahnen drohten neben Schloss Horst«, titelte ein nicht gerade linkes Blatt im Lokalteil und drückte damit womöglich die wahren Hintergründe des Rückziehers aus. Jedenfalls ist von außen kaum nachvollziehbar, warum der Sparkassenvorstand nach anfänglicher Zustimmung ein fix und fertig ausgearbeitetes Geschäft platzen ließ, bei dem er eine Immobilie verkaufen und gleichzeitig den Erwerb finanzieren konnte. Das sei kein Zufall gewesen, argumentiert der VVV in der Klageschrift: Vielmehr habe OB Wittke das Geschäft sabotiert und dann einem weiteren Erwerber des Gebäudes auch noch das Versprechen abgenommen, auf keinen Fall an den VVV zu veräußern. Auch dafür gibt es nach Ansicht der Anwälte des VVV einen schriftlichen Beweis: In einer als »streng vertraulich« gekennzeichneten Aktennotiz, deren Echtheit durch Zeugenaussagen belegt werden soll, ist von einem solchen Ehrenwort die Rede. Erst als dem Zwischeneigentümer offenbar finanziell die Puste auszugehen drohte und er den Verkauf an den VVV nicht mehr verhindern konnte, kam der Verein zum Zug: Mittlerweile bauen Handwerker die »Neue Horster Mitte« zu einem Dienstleistungszentrum mit Büros, Geschäft, Internet-Cafe, Museum und Jugendzentrum um. 25 neue Arbeitsplätze sollen so entstehen und die jungen Leute in der Gegend nehmen das Angebot offenbar dankend an. »Die Stadt hat hier doch alles dichtgemacht«, kommentiert Engel das Engagement. Und natürlich soll auch die MLPD hier eine neue Heimat finden. Ende gut, alles gut, könnte man meinen. Aber dank der Zwischenstationen beim Verkauf und erheblicher Zusatzkosten musste der VVV viel mehr Geld ausgeben als ursprünglich geplant. Und deshalb will der rote Verein den schwarzen OB doch nicht ganz so einfach aus der Verantwortung entlassen: »Wir werden nicht auf Biegen und Brechen streiten«, sagt Stefan Engel, »aber der OB muss schon zugeben, dass er Mist gebaut hat. Wir sind nicht verboten, wir sind nicht kriminell und wollen so wie alle Parteien behandelt werden.« Dazu soll dem Verein nun ein Gericht verhelfen. Würde es den Klägern Recht geben, käme auf Wittke die volle Schadenersatzzahlung in Höhe von rund 250000 Euro zu. Und da die Kläger von Vorsatz ausgehen, könnte er die Forderung auch nicht auf die Stadtkasse abwälzen - er müsste in die eigene Tasche greifen. Auf Nachfrage teilten Sparkasse, Stadtverwaltung und Büro des Oberbürgermeisters Wittke mit, dass zur Sache »derzeit nichts zu sagen ist«. Bleibt noch nachzutragen: In der Nähe des neuen Gebäudes hat der VVV ein altes Postgebäude gekauft, in dem sich eine Postfiliale und der Briefdienst befinden. Und allen Unkenrufen zum Trotz: Obwohl das Gebäude nun in Kommunistenhand ist, kommen die Briefe in Gelsenkirchen immer noch an.
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