Mörderische Folgen

Vor 75 Jahren: Panzerkreuzer A

  • Horst Diere
  • Lesedauer: 4 Min.
Zu keiner Zeit seit 1848/49 war in Deutschland in so hohem Maße ein Kriegsschiff Gegenstand innenpolitischer Auseinandersetzungen wie in der Weimarer Republik der Panzerkreuzer A, dessen Baubeginn die von Hermann Müller (SPD) geführte Reichsregierung am 10. August 1928 beschloss. Die Planungsarbeiten für diesen Schiffstyp waren schon kurz nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg in Angriff genommen worden. Sie unterlagen den Begrenzungen des Versailler Vertrags, dessen Artikel 190 zwar den Neubau und Erwerb von Kriegsschiffen verbot, aber Ersatzbauten für außer Dienst gestellte Einheiten zuließ. Für die der Reichsmarine der Weimarer Republik zugestandenen veralteten sechs Linienschiffe, alle zwischen 1903 und 1906 vom Stapel gelaufen, sowie für Kreuzer galt, dass sie 20 Jahre nach dem Stapellauf durch Bauten mit einer Wasserverdrängung bis zu 10000 Tonnen ersetzt werden konnten. Ersten Ersatz beabsichtigte die Marineleitung für das Linienschiff »Preußen«. Die seit 1920 erwogenen Varianten kulminierten in den Planungen für ein kreuzerartiges und hochseefähiges Schiff mit starker Bewaffnung und entsprechender Panzerung, das nach den Forderungen des damaligen Chefs der Marineleitung Admiral Zenker »in der Lage ist, selbstständige offensive Frontunternehmungen (in einem zukünftigen Zufuhr- und Handelskrieg gegen England) auszuführen«. Das nun entworfene Panzerschiff (Panzerkreuzer) A sollte stärker als jedes schnellere und schneller als jedes stärkere Schiff sein. So entstand ein neuer Schiffstyp, der die Tonnagebeschränkungen des Versailler Vertrags erheblich überschritt und später von englischer Seite als »pocket battleship« (Westentaschen-Schlachtschiff) bezeichnet wurde. Für den Panzerkreuzer A - erstes Schiff einer ursprünglich mit vier, später mit sechs Einheiten vorgesehenen Panzerkreuzerserie - bewilligte der Reichstag für das Haushaltsjahr 1928 gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, Kommunisten und Demokraten 9,3 Millionen Reichsmark. Wie verbreitet allerdings in Deutschland damals die Stimmung gegen Aufrüstung, Militarismus und Krieg war, offenbarten die Wochen vor den Reichstagswahlen vom 20. Mai 1928, als der beabsichtigte Bau des Panzerkreuzers A in das Zentrum des Wahlkampfes rückte. Sozialdemokraten wie Kommunisten kämpften »Für Kinderspeisung - gegen Panzerkreuzerbau«. Für soziale Zwecke, nicht für Aufrüstung und Kriegsvorbereitung sollte der Staat sein Geld ausgeben. Die SPD gewann die meisten Stimmen; auch die KPD verzeichnete Stimmenzuwachs. Wahlergebnis war die Bildung einer Regierung der Großen Koalition unter sozialdemokratischer Kanzlerschaft. Dieses Kabinett, dem drei weitere Sozialdemokraten als Minister angehörten, fasste den Beschluss, mit dem Bau des umstrittenen Panzerkreuzers A zu beginnen. Unter den Mitgliedern und der Wählerschaft der SPD erhob sich dagegen ein Sturm des antimilitaristischen und pazifistischen Protests, den beizulegen der SPD-Führung nur mit Mühe und Täuschung gelang. Gegen den Beschluss der Müller-Regierung vom August versuchte die KPD, mit einem Volksbegehren alle antimilitaristisch gesinnten Kräfte zu mobilisieren. Trotz mancher Erfolge erreichte die Antikriegsbewegung nicht die nach der Weimarer Verfassung für einen Volksentscheid erforderliche Anzahl von Stimmen. Knapp drei Jahre später, am 19. Mai 1931, lief unter Protesten von Werft- und Hafenarbeitern bei den Deutschen Werken in Kiel der Panzerkreuzer A vom Stapel, getauft vom Reichspräsidenten Hindenburg auf den Namen »Deutschland«. Panzerkreuzer B erhielt beim Stapellauf am 1. April 1933 - nun in Hitlerdeutschland - den Namen »Admiral Scheer« nach dem Chef der Seekriegsleitung, der im Herbst 1918 die kaiserliche Hochseeflotte, die er in der Skagerrakschlacht befehligt hatte, in einem aussichtslosen »Endkampf« gegen England aufopfern wollte. Am 30. Juni 1934, am Tage des »Röhm- Putsches«, lief der Panzerkreuzer C unter dem Namen »Admiral Spee« vom Stapel, erinnernd an den Chef des kaiserlichen ostasiatischen Kreuzergeschwaders, das im Dezember 1914 in der Seeschlacht vor den Falklandinseln unterging. Aus den ursprünglich geplanten weiteren drei Panzerschiffen der »Deutschland«-Klasse wurden im Rahmen der faschistischen Seekriegsrüstungen die Schlachtschiffe »Gneisenau« und »Scharnhorst« sowie das stärkste Schlachtschiff der Kriegsmarine, die »Bismarck«. Die drei fertigen Panzerschiffe übten während des Spanienkrieges 1936-1939 vor der Mittelmeerküste der spanischen Republik den Einsatz unter »kriegsmäßigen Bedingungen«. Es kam dabei zu einem verlustreichen Fliegerangriff auf die »Deutschland«, den die »Admiral Scheer« mit der Beschießung der republikanischen Hafenstadt Almeria quittierte. Im August 1939, noch vor Beginn des Zweiten Weltkrieges, bezogen die Panzerschiffe »Deutschland« und »Graf Spee« im Nord- bzw. Südatlantik Position. Nach dem Seegefecht vor der La-Plata-Mündung am 13. Dezember 1939 ließ der Kommandant der »Spee« das Schiff in die Luft sprengen. Zuvor war die »Deutschland« zurückbeordert und in »Lützow« umgetauft worden, weil Hitler negative psychologische Auswirkungen auf das deutsche Volk bei dem eventuellen Untergang eines Schiffes mit dem Namen der Heimat fürchtete. Der Name »Lützow« war frei geworden, weil der bereits auf diesen getaufte, auf Stapel liegende Schwere Kreuzer Anfang 1940 an die Sowjetunion verkauft wurde, wo er in »Petropavlovsk« umbenannt (und im April 1942 von deutschen Flugzeugen bombardiert) wurde. Von den drei Panzerschiffen, die als Schwere Kreuzer klassifiziert wurden, hat keines den Krieg überlebt, auch nicht die Schlachtschiffe, die an Stelle der ursprünglich geplanten Panzerschiffe D, E und F gebaut worden waren.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Mehr aus: