Dazu stehen, was man sagt - so funktioniert es

Sebastian Thron betreut rechte Jugendliche

Er ist eine »linke Zecke«. Auf Begriffe wie Ehre und Vaterland pfeift er, dennoch bitten ihn rechtsorientierte Jugendliche um Rat, wenn sie Probleme haben und nicht mehr weiterwissen. Erzieher Sebastian Thron leitet das Projekt ReMiLi-Jugendschiff, initiiert von der »Werkstatt für Bildung & Begegnung in Berlin«. Das Schiff liegt in Öberschöneweide hinter den Reinbeckhallen vor Anker und ist Anlaufstelle für Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren. Hier treffen sich hauptsächlich Menschen aus dem rechten Spektrum. Thron nimmt das Wort »rechtsextrem« nicht gerne in den Mund, lieber spricht er von einer Orientierung in diese Richtung. Sein Job ist der Versuch, daraus keine starren Haltungen erwachsen zu lassen und so weit wie möglich zu vermeiden, dass seine Schützlinge instrumentalisiert werden. Zum Beispiel durch die NPD-Zentrale in Köpenick, die das Jugendschiff ihren Kadern als Rekrutierungsort empfohlen hatte. Allerdings ohne Erfolg: Die Anwerber zogen schnell wieder ab. »Da muss man sich dann schon mal behaupten und gegebenenfalls körperliche Präsenz zeigen«. Auch wenn er, wie er von sich selber sagt, eigentlich eher ängstlich ist: Wenn nötig, setzt er sich energisch durch. Der 32-jährige Sebastian Thron ist ein Kind seines Kiezes. In Öberschöneweide wuchs er auf und ist dort bekannt wie ein bunter Hund. Er hat vieles gemacht und einiges erlebt - arbeitete unter anderem in einem Kinderzirkus, studierte einige Semester Jura und wurde schließlich Erzieher. »Ich will Farbe ins Leben bringen«, sagt er, dabei richtet sich sein Blick kurz nach innen, als krame er in seinen Erinnerungen, und dann lacht er fröhlich. Sein Motto »Bunt statt braun« ist auch ein Resultat seiner Erfahrung mit der DDR. »Dort herrschte zwar mehr Gerechtigkeit, aber alles war irgendwie grau in grau.« Wenn Sebastian Thron urteilt, dann immer zuerst aus seiner Erfahrung heraus. Theoretische Schlüsse meidet er. Wobei er keineswegs zu denen zählt, die alles vereinfachen - des Ursachenknäuels rechtsextremer Einstellungen ist er sich wohl bewusst. Dieses aufzudröseln, gehört nur bedingt zu seinen Aufgaben. Vielmehr nimmt er bei denen Einfluss, die noch nicht alle Brücken zur gesellschaftlichen Normalität abgebrochen haben. Wobei die noch flexible Vorstellungswelt der Jugendlichen es leichter macht, neue Erfahrungen zu vermitteln. »Ich gebe dem Feind ein Gesicht.« Eine Widerlegungsstrategie, die oft funktioniert: »Wenn sie merken, dass der Ausländer oder Dunkelhäutige nicht so ist, wie sie glaubten, dann bröckeln die Klischees.« Ausländer und Menschen mit anderer Hautfarbe sind deshalb auf dem Schiff gern gesehene Gäste. »Da entstehen heiße Diskussionen.« Von akzeptierender Sozialarbeit bei Rechtsextremen hält der Vater zweier Kinder nicht so viel. »Jugendliche wollen sich reiben und dabei auch Grenzen gesetzt bekommen.« Das habe mit Macht zu tun, aber manchmal bedürfe es dieser, damit grundsätzliche Regeln des menschlichen Zusammenlebens gelernt werden. Ob in der familiären Erziehung der Kern allen rechtsradikalen Übels liegt, wie immer wieder behauptet, weiß er nicht so recht. »Das ist viel komplexer.« Über die Neigung zum Rechtsextremismus entscheide auch die Umgebung, in Berlin wohl auch der Kiez, in dem man aufwächst. »Aus so manchem Köpenicker Jungnazi wäre in Friedrichshain, Wedding oder auch in Kreuzberger Ecken womöglich ein ultra dogmatischer Linker geworden.« »Um das Vertrauen der Jugendlichen zu gewinnen, muss man klar hinter dem stehen, was man sagt. Die spüren genau, wenn dem nicht so ist - so funktioniert es«, betont Sebastian Thron. Aber funktionieren kann dies nur dann, wenn die Ansprechpartner nicht ständig wechseln. Von den Regierenden fordert er deshalb mehr Nachhaltigkeit. »Bei Einrichtung und Personal muss Kontinuit...

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