»Schuluniformen lösen keine Probleme«

Meinungen geteilt / Suche nach Wegen weg vom Markenzwang und hin zu mehr Wir-Gefühl

  • Rainer Funke
  • Lesedauer: 3 Min.
Sollen Mädchen und Jungen in den Schulen Uniformen tragen? Nicht solche mit Rangabzeichen und Metallknöpfen, versteht sich. Eher T-Shirts und Hosen? Einer Umfrage des Kinderhilfswerkes e. V. zufolge, an der sich 4200 Schüler - darunter viele Berliner - beteiligten, lehnen rund 44 Prozent solch Ansinnen entschieden ab. 35 Prozent tendieren zu »Warum nicht«, 14 Prozent meinen, sich nur mit dem Gedanken befreunden zu können, wenn es sich um modische Bekleidung handeln würde. Sieben Prozent enthielten sich mangels eigener Meinung der Stimme.
Hintergrund der immer mal wieder aufkommenden Debatte ist der Markenzwang für Klamotten, den sich Schüler selbst auferlegen oder sich dazu genötigt fühlen, um nicht Spott oder Missachtung anderer auf sich zu ziehen. Man möchte nicht Außenseiter sein. Eltern, die teure Markenartikel nicht bezahlen können oder wollen, befürchten Nachteile für ihre Kinder. Und mancher Lehrer kann mit der in den Klassen verbreiteten Meinung nicht umgehen, dass in leichter Abwandlung eines bekannten Filmtitels eben Kleider den Schüler machen.
In der Politik gibt es bisher keine einhellige Meinung. Zumal ja auch der Markentrend zu einer gewissen Uniformität führt und die eine lediglich mit der anderen getauscht würde. Schulsenator Klaus Böger (SPD) legt Wert darauf, dass es nicht um Uniformen, sondern um einheitliche Schulkleidung geht. Nach seiner Ansicht würde sie das Wir-Gefühl in einer Schule stärken und der Markenzwang wegfallen. Er hält es für sinnvoll, wenn eine Schule solche Kleidung einführt und sich Schüler, Eltern und Lehrer darüber einig sind. Das würde er unterstützen. Keineswegs wolle er aber die Schulkleidung von oben verordnen, Vorschriften habe man mehr als genug. Völlig leidenschaftslos sieht Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) das Thema. Uniformen, so sagt sie, lösten keine Probleme, schon gar nicht in einem Alter, wo sich Individualität und Fähigkeiten zur Toleranz soeben entwickeln.
Ulrich Thöne, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), nennt die Uniformen »einen ziemlichen Quatsch«. Bei dem derzeitigen Trend zum Sponsoring und dem riesigen Werbeaufwand gerade der Markenfirmen auf die Schulklientel bliebe ein solches Ansinnen ganz sicher ohne Chance. Eine Normierung der Verhaltensweisen von Schülern sei zudem ein völlig falscher Gedanke und Weg. Was gebraucht werde, sei eine Werteorientierung und die Fähigkeit der Schülerschaft, sich damit auseinander zu setzen, so Thöne. Das erreiche man aber nicht über Äußerlichkeiten, sondern nur im vielfachen Gespräch mit ihr. Voraussetzung dafür sei »eine dichtere personelle Betreuung an den Schulen, statt junge Leute wie auf dem Kasernenhof zu drillen«, meint Thöne.
Das Kinderhilfswerk wiederum plädiert für Modellversuche, bei dem Schüler sich einbringen können und nach ihrer Meinung gefragt werden. Nötig wäre, denkt der stellvertretende Bundesgeschäftsführer Michael Kruse, das Problem im Unterricht zu erörtern, in Sozialkunde und Gemeinschaftskunde. Er glaubt aber, dass eine Uniformierung soziale Herkünfte und Unterschiede nur oberflächlich zu verdecken vermag.
Einen anderen Aspekt hebt Rolf Taßler, Landesvorsitzender der Polizeigewerkschaft beim Beamtenbund (DPolG), hervor. Der Markenzwang verführe manche Jugendliche, deren Eltern sich solche Anschaffungen nicht leisten können, zu Einbrüchen oder zu Überfällen. Deshalb trüge die Uniform an der Schule dazu bei, solche Kriminalität ein wenig einzudämmen, sagt Taßler. Anweisen lasse sich die Uniform nach seiner Erfahrung jedoch nicht.

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