Imbissbuden - die Anarchisten der Städte

Ausstellung zu einem weltumspannenden Kulturphänomen

  • Jack Rodriguez
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.
Am Eingang steht ein Brezelverkäufer, so wie ihn Franz Dörbeck 1830 gezeichnet hat. Der arme Mann musste auf offener Straße seine Ware anpreisen. Den Berliner Bockwurst-Verkäufern mit Bauchladen-Bottich ging es nach 1900 nicht besser. Wann diese sesshaft wurden und an Plätzen und Straßenkreuzungen ihre Kioske aufschlugen, dem geht die Ausstellung »Imbissbuden - Essen ohne Grenzen« in der Domäne Dahlem nicht nach.
Vielmehr beleuchtet die Dependance der Stiftung Stadtmuseum das Phänomen künstlerisch und weltumspannend. Denn was kann es Schöneres geben, als für einen Deutschen die Currywurst oder für den Belgier Pommes frites? So inspiriert, fotografierte Christoph Buckstegen mobile, zeltüberdachte Wurstbratereien, rollende Buden und Asia-Quick-Stände. Stadtplaner Günter Nest ist von Straßenrestaurants in Südostasien fasziniert und beweist: Imbissbuden sind in aller Welt hässlich, aber es schmeckt dort.
Peter Luckner will den Berlinern ihre etwa 2000 Imbissbuden ebenfalls nicht madig machen. Der Leiter des Projektgruppe Multisensuelles Design an der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein in Halle reicherte die Präsentation mit Duftproben an. Kalter Kaffee ist der wohl schlechteste Geruch, den er zu bieten hat. Wegen des zweifelhaften hygienischen Rufs der Futterluken betrachtet von Wetzlar sie lieber nur als architektonisches Phänomen. »Urbane Anarchisten« nennt er sie im Titel seines beim Jonas Verlag erschienenen Sammelbandes (128 Seiten, 15 Euro). »Sie gehören zu den letzten Bauten, an die noch kein Architekt Hand angelegt hat«, sagt er. Obwohl Birgit Hampel-Chikalov und Denis Chikalov in einer fotografischen Bestandsaufnahme aus St. Petersburg zeigen, dass hölzerne Bretterbuden, aus denen fast alles heraus verkauft wird, zunehmend von genormten Kunststoff-Metall-Pavillons verdrängt werden. In Berlin dagegen macht ein cleverer Geschäftsmann den Buden Konkurrenz: Er erfand den propangasbehangenen Grillwalker, der wie vor 100 Jahren mit dem Kunden auf einer Ebene steht.

Bis 15.12., Mi-Mo 10-18 Uhr, ...

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