Die Pleite mit der alten »Hesco«

Verdacht auf betrügerischen Konkurs bei Luckenwalder Vorzeige-Unternehmen

  • Anke Engelmann, Luckenwalde
  • Lesedauer: ca. 4.5 Min.

Eine Luckenwalder Plaste-Firma will sich offenbar mit Konkursverschleierung ihren Verpflichtungen entziehen. Firmen, die am selben Ort unter fast demselben Namen produzieren, sollen mit der Vorgängerin nichts zu tun haben. Auf der Strecke bleibt die Belegschaft.

In einem Gewerbegebiet unweit von Luckenwalde im Süden Brandenburgs firmiert die Firma »Hesco« in einer schicken grün-gelben Halle. Den kurzen Namen weist die Reklame auf dem Dach aus. Gelbe Schilder warnen Unbefugte eindringlich vor dem Betreten des Betriebsgeländes. Aus geöffneten Fenstern dringt Produktionslärm.
Genau besehen, residieren hier zwei Firmen: Zum einen die »HC Kunststofferzeugnisse GmbH«, zum anderen die »Hesco Kunststoffverarbeitung GmbH«. Beide gingen aus dem Familienbetrieb »Hesco Kunststofferzeugnisse Helmut Schulze & Co.Gmbh« hervor. Die Rechtsverhältnisse sind verzwickt. Die »HC Kunststofferzeugnisse« ist im Amtsregister als direkte Nachfolgerin der »Hesco Schulze« eingetragen. Deren bisherige Geschäftsführer Helmut Schulze, Klaus Reiche und Dr. Birgitt Reiche ließen sich am 13.Juni 2003 durch die Gesellschafterversammlung ablösen. Der neue und alleinige Geschäftsführer der »HC Kunststofferzeugnisse« heißt Henry Jantzen.
Die Familie Reiche verblieb in der Geschäftsleitung der ebenfalls am 13. Juni völlig neu gegründeten »Hesco Kunststoffverarbeitung«. Klaus Reiche ist dort Geschäftsführer, Einzelprokura hat Frau Dr. Birgitt Reiche. Klaus und Frau Dr. Birgitt Reiche gehören in Luckenwalde zum alt eingesessenen »CDU-Adel«. Ihre Tochter Katherina, seit 1998 Mitglied des Bundestages für die CDU, war bis Juni diesen Jahres ebenfalls Miteigentümerin der Alt-Firma »Hesco Schulze«. »Frau Reiche bekam die Anteile von ihrem Großvater geschenkt, mit der Firma selbst hatte sie nichts zu tun«, versicherte eine Sprecherin der Abgeordneten. Diese selbst war gegenüber ND zu keiner Stellungnahme zu den »Hesco-Vorgängen« bereit. Die Vorzeige-Ostlerin, die sich gern sozial gibt, war zu Bundestagswahlkampfzeiten 2002 in Stoibers Kompetenz-Team für den Bereich Familie zuständig. Ehemalige Angestellte berichten, wie sich die CDU-Frau bei Presseterminen in der »Kulisse ihrer Firma« präsentierte. Mehr habe man von der aber nicht gesehen.
Die gelben Warnschilder an der Firma gelten auch für den Betriebsrat von Alt-»Hesco«. Also muss sich der wenige Kilometer weiter treffen. Den drei Männern und zwei Frauen wurde, wie allen anderen Mitarbeitern, zum 31. Juli gekündigt. 60 Angestellte umfasste die ehemalige »Hesco«-Belegschaft in besseren Zeiten. »Wir dürfen da nicht mehr rein«, erklärt Eberhard Neumann, Ex-Betriebsratsvorsitzender. Rainer Paiska, seit 33 Jahren im Betrieb, drohte die »Frau Doktor« sogar schriftlich mit der Polizei. »Auf meine Kosten« sagt er und schüttelt den Kopf.

Sozialplan wird bis heute verweigert

Die Geschäftsleitung verweigerte dem Betriebsrat bis heute Verhandlungen über einen Sozialplan und einen Interessensausgleich, »da wir nicht erkennen können, wo die finanziellen Mittel herkommen sollen«, wie es in einem Schreiben vom 1. Juli heißt. Und weiter liest man: »Vielleicht können Sie ja geeignete Vorschläge unterbreiten.«. Die Firma sei pleite, lautete die lapidare Begründung für die Kündigungen. Die Männer und Frauen des Betriebsrates lassen sich nicht einschüchtern. Sie haben zusammen mit ihren Kollegen zunächst einmal gegen die Kündigungen Widerspruch eingelegt. Bei Entlassungen in dieser Größenordnung müssten Fristen und Formalien durch den Arbeitgeber eingehalten werden. Dies sei in diesem Falle nicht passiert, bestätigte das Landesarbeitsamt. Die finanzielle Situation der Arbeitslosen ist angespannt. »Ich bin gesund, meine Frau hat Arbeit«, spottet Betriebsrat Neumann.
Zwar sind alle Mitarbeiter der Firma gekündigt, einige haben aber noch eine Galgenfrist von einem Monat erhalten. Schließlich müssen zumindest die Restaufträge noch bearbeitet werden. Andrea Kunze, ein andere ehemalige Angestellte, berichtet: »Ich habe gefragt, ob ich das denn bezahlt kriegen würde.« Die Konten seien eingefroren, wurde ihr geantwortet. »Für Null arbeite ich nicht!« So selbstbewusst haben nicht alle Arbeiter reagiert. Einige wenige sollen sogar die Entlassungs-»Entschädigung« in Höhe von 1500 Euro akzeptiert haben.
Am 16. Oktober findet vorm Arbeitsgericht Potsdam eine erste Verhandlung statt. Die Gewerkschaft unterstützt die Arbeitnehmer. »Wir vertreten etwa ein gutes Dutzend Klagen bei der Hesco«, erläutert Hermann von Schuckmann, Chef der IG-Metall-Verwaltungsstelle Ludwigsfelde. Die Arbeitnehmer sollten um ihre Ansprüche betrogen werden, während Lieferanten bezahlt würden. Dies deute auf betrügerische Machenschaften hin, so der Gewerkschaftler.
Dabei ging es dem Familienbetrieb der Reiches bis vor kurzem richtig gut. Das zu DDR-Zeiten verstaatlichte Unternehmen, das Kunststoffteile für Telekommunikations-Anlagen und Handys produziert, wurde 1990 reprivatisiert. Im Jahr 1998, als der Markt boomte, konnten immerhin 1,7Millionen Euro in den Bau einer neuen Halle investiert werden. Ein Jahr danach gewährte die Landesinvestitionsbank Brandenburg (ILB) dem augenscheinlich florierenden Unternehmen Fördermittel in Höhe von 930000 Euro.
Die Bank habe erst aus der Presse von den Vorgängen erfahren, bestätigte Matthias Haensch, Sprecher der ILB. »Eigentlich sind die Unternehmen verpflichtet, uns Veränderungen mitzuteilen. Das ist in diesem Fall nicht passiert.« Bei dem Umfang aller Fördermaßnahmen seien permanente Kontrollen nicht möglich. »Wir machen Stichproben und informieren uns ansonsten aus den Medien.« Auch in diesem Fall sei man sofort tätig geworden.

Einschlägige Erfahrungen in der »Konkursbranche«

Henry Jantzen, einer der neuen Geschäftsführer, soll über Erfahrungen in der »Konkursbranche« verfügen. Dazu gehört anscheinend, das Vermögen der Konkursfirma so umzuleiten, dass Ansprüche von Gläubigern mangels Masse abgewehrt werden können. So recherchierte eine Lokalzeitung drei Insolvenzen, die kürzlich unter Jantzens Regie geführt sein sollen, aktuell sei er in weitere zwei verwickelt.
Zum Thema »Hesco« startete die Potsdamer Landtagsabgeordnete Esther Schröder jetzt eine kleine Parlamentsanfrage. Das Land Brandenburg läge weit vorn in puncto Verschleuderung von Fördergeldern, erklärt sie. Gründe seien mangelnde Kontrolle, Korruption, Schlamperei und Inkompetenz. Nun hat sich auch die Staatsanwaltschaft Potsdam eingeschaltet. Man überprüfe die Vorwürfe. Es handele sich jedoch nicht um ein Ermittlungsverfahren, erklärte Sprecher Ra...

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