Meisterin des Puppentricks
Die Regisseurin Katja Georgi wird heute 75 Jahre
Die Jahre zwischen 1949 und 1953, als Katja Georgi am Institut für künstlerische Werkgestaltung in Halle studierte, waren eine aufregende Zeit: Denn auch an der Burg Giebichenstein gingen die Auseinandersetzungen um Politik und Stil, um ideologische Prämissen und künstlerische Freiheiten nicht vorbei.
Später, am Dresdner DEFA-Studio für Trickfilme, dem sie ab 1955 als Regisseurin angehörte, standen solche Debatten, mal laut, mal leiser, weiterhin auf der Tagesordnung: Der Streit, wie sich im Animationsfilm »sozialistischer Realismus« manifestieren müsse, und die daraus resultierende Scheu vor formalen und inhaltlichen Wagnissen hemmte manche Entwicklung. Und führte gelegentlich zu kuriosen Entscheidungen. Dem Prinzen durfte »Dornröschen« (1968) nicht einfach nach Durchbrechen der Dornenhecke in den Schoß fallen, nein, er musste vorher erst »arbeiten«, sich gewissermaßen als Proletarier bewähren, indem er, anders als im Märchen, einen Drachen bekämpfte.
Noch kurioser war es bei der Abnahme des »Wolkenschafs« (1960) nach einer Erzählung von Fred Rodrian zugegangen, bei der die weißen Hemdkragen der Kinderpuppen bemängelt wurden: Arbeitstätige Mütter, so lautete der Einwand, hätten zum Waschen, Bügeln und Stärken solcher Kragen doch überhaupt keine Zeit!
Über solche Mäkeleien mag Katja Georgi heute schmunzeln, denn trotz alledem gelangen ihr immer wieder wichtige Filme. Unvergesslich etwa ihre »Novelle« (1976) nach Johann Wolfgang von Goethe: mit Puppenhänden und -köpfen, die in der Meißner Manufaktur aus edlem Porzellan hergestellt wurden. »Die Schöne und das Tier« (1977), »Feuer des Faust« (1982) oder »Zwerg Nase« (1986) avancierten zu Glanzstücken des romantischen Puppentrickfilms.
Überhaupt galt ihre große Liebe der Romantik. Zwar musste sie bis in die frühen siebziger Jahre warten, um deren Werke auch umzusetzen - die Romantiker wurden in der »offiziellen« DDR-Literaturgeschichtsschreibung lange als reaktionär gehandelt. Doch dann konnte Katja Georgi solche wunderbaren Arbeiten wie »Das Myrtenfräulein« (1989) inszenieren, ein Plädoyer für die Bewahrung des Natürlichen: Die Schönheit eines Baumes und eines Vogels bringt einen in einer kalten Kunstwelt gefangenen Prinzen wieder zurück ins Leben ...
Katja Georgi, die heute 75 wird, hat als ihre großen Vorbilder stets zwei Tschechen benannt: Hermina Tyrlová und Jiri Trnka. Wie diese beiden Meister der internationalen Animation war auch sie der Meinung, dass der Puppe »alles« möglich sein sollte: »Puppen, Gegenstände, auch Streichhölzer oder Steine können uns die Illusion vermitteln, dass sie leiden oder sich freuen, hassen oder lieben, dass eine Persönlichkeit vor uns steht, die Botschaften an den Zuschauer vermitteln kann.«
Schon früh schuf Katja Georgi, mit Hilfe glänzender Gestalter und Animatoren, eigenwillige poetische Welten: bereits ihr mit Ehemann Klaus Georgi realisiertes Debüt »Vom mutigen Hans« (1959) ließ durch Ausleuchtung und Dekor ihre Affinität zu atmosphärischen Tableaus erkennen.
Doch Katja Georgi hat nicht nur beliebte Kinderfilme gemacht, wie »Die Prinzessin auf der Erbse« (1960) oder »Urwaldmärchen« (1978). Auch einige ihrer Arbeiten für Erwachsene wiesen auf neue, überraschende Gestaltungsmöglichkeiten hin. »Die Musici« (1964), ein Pamphlet gegen westdeutsche Spießbürger, die die Aufrüstung vor ihren Augen nicht wahrnehmen und sich in Hausmusik flüchten, entstand als Kombination von Flachfigurentrick und Realfilm; der »reale« Panzer schiebt sich direkt in die Zeichnung hinein. Flachfiguren prägten auch »Guten Tag, Herr H.« (1966), mit dem sie gegen die Verjährung von Naziverbrechen in der Bundesrepublik polemisierte. Und in »Gesunde Ernährung« (1974) griff sie, gemeinsam mit ihrem Mann, auf Fotocollagen zurück.
Zu ihren international preisgekrönten Werken gehört die Zeichentrick- und Flachfiguren-Kombination »Ein junger Mann namens Engels« (1970), die sie gemeinsam mit Klaus Georgi und sowjetischen Regisseuren schuf: eine partiell durchaus unorthodoxe Annäherung an den »jungen, wilden« Klassiker, basierend auf Briefen, Tagebuchsplittern und Zeichnungen aus dessen Gymnasial-, Militär- und erster Reise...
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