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Die berufliche Ruhe wich mit der Pastoren-Revolte

  • Lesedauer: 3 Min.

Seit 1990 lebt die dreiköpfige Familie in dem 300-Seelen-Dörfchen. Sie teilt sich ein kleines Häuschen, das der Gemeinde gehört, mit dem Rentneij-Ehepaar Wahl. Dj^ Zecjjs bewohnen knapp 50 ter^n. zwei Zi

.er^iLjZwei Zimmern^ t R .f? man hat' sein Bett mit im Schlafzimmer. Als er noch kleiner war, hatte er seine Ecke in dem großen Bett der Eltern. Doch jetzt nimmt eine Liege das letzte Stückchen Platz in dem Dachzimmer mit den schrägen Wänden weg. „Es ist eng und nicht besonders komfortabel, aber es geht irgendwie“, redet sich Martina ihre kleine Behausung schön.

Vor der Wende wohnten sie in Altranft, ebenfalls einem Dörfchen im Brandenburgischen. Dort hat Roland als Tierarzt gearbeitet, gerade

fertig mit dem Studium. Martina war Mitarbeiterin im Kreiskulturhaus. „Kulturhaus hörte sich immer nach intellektuell ausfüllender Arbeit an. Aber im Endeffekt war es auch nichts anderes, als nach Veranstaltungen die Tische und Stühle wieder richtig hinzustellen“, blickt sie ohne Wehmut zurück. Roland war als Tierarzt damals einer der Stars im Dorf. Die anderen waren der Pfarrer, der Lehrer und der Bürgermeister. Und sind es noch. Für den 31jährigen war die ruhige Zeit der Tierpflege mit der Pastoren^ Revolte vorbei. Die LPG wurden aufgelöst, nur wenige privatisiert. Weil die DDR fast für jede Kuh, die sie hatte, einen Tierarzt beschäftigte, wie es Roland Zech lakonisch ausdrückt, standen mit einem Mal hunderte Veterinärmediziner vor den Ställen. Innerhalb von 30 Kilometern manchmal zehn bis 15. „Da kriegst du nie ein Bein auf die Erde“, sah Roland Zech nicht mehr die Zukunft, die er sich nach fünf Jahren hartem Studium an der Leipziger Karl-Marx-Universität ausgemalt hatte. So blieb der Familie nichts anderes, als dahin zu wechseln, wo die Akademiker der Tierheilkunde nicht so dicht gesät waren. In Freudenberg gab es in 15 Kilometern Umkreis keinen „Viehdoktor“.

„Heute 20 Mark verdient“, schreibt Roland Zech laut in sein Arbeitsbuch. Heute ist Sonnabend. Und er, muß^e wie jeden Tag nach den Tieren“ seihenii2<WVrapk'i<las:ißt;eine b

samte Kuh. Rund 300 betreut er medizinisch. Die sind übriggeblieben von ungefähr 400 der Rinderzuchtanlage in Freudenberg. Einer, der schon in der LPG mittlerer Führungskader war, hatte es geschafft, sich mit den Kühen selbständig zu machen. Fast nahtloser Übergang vom volkseigenen zum privaten Eigentum. Inzwischen hat er zwanzig Angestellte und sein Betrieb heißt GmbH & Co. KG Freudenberg. Für ihn arbeitet auch Roland.

Gegen sieben, bevor die Bauern die Ställe verlassen.

dreht Roland Zech seine ersten Runden: „Nur Routine, ob alles klar ist.“ Zwischen platschender Kuhscheiße, dampfendem Urin und anderen üblichen Stallgerüchen, die sich beißend in die Nase bohren, watet der Mann in Gummistiefehl und im dunklen Kittel durch die dichtgedrängten Tierreihen. Es ist eine Arbeit ohne weiße Kleidung und ohne die Nostalgie von Filmen, in denen der Tierarzt kleinen Vögeln in einer aprilfrischen und weißgekachelten Praxis das Singen wiedergibt. Därme ausräumen mit dem ganzen Arm, Urin abnehmen, Besamen, Hilfe beim Kalben, getreten werden, manchmal auch gebissen - das ist der Dienst am Tier. Damit verdient er als selbständiger Veterinärmediziner rund 3 000 Mark brutto im Monat. Für Versicherungen, Steuern, Benzin, Arzneimittel und Bullensperma geht die Hälfte weg. Bleiben 1 500. Das ist nicht viel für einen Studierten, der täglich acht, neun, zehn Stunden und auch am Wochenende arbeitet. Üblich ist in der Branche das doppelte. Im Osten. Im Westen geht kein Tierarzt unter 10 000, 15 000 DM brutto heim.

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