- Brandenburg
- Parlament: Senat bedauert § 218-Urteil, verspricht Krisenmanagement, aber keine Aktion
CDU: Karlsruhe ist Pfeiler der Demokratie
Die Worte der regierungsoffiziellen Berliner Politik sind oft nicht die Sekunde wert, in der sie gesprochen wurden. So informierte Gesundheitssenator Luther (CDU) das Abgeordnetenhaus am Donnerstag abend zwar darüber, daß ein Schwangerschaftsabbruch in Berliner Krankenhäusern bis zu 800 Mark kostet. Er verschwieg aber gleichzeitig, daß damit bereits der 2,3fache Satz dessen verlangt wird, was die Bundesärztekammer vorgibt.
Er sah deshalb auch keinerlei Veranlassung, irgendeine Intervention des Senats zu signalisieren. Die forderte gestern nun (nach ND-Veröffentlichung, 18. Juni, Seite 17) der Landesverband von PRO FAMILIA.
Die Parlamentarier ihrerseits konnten am Donnerstag abend von diesem CDU-Senator erst einmal weder was erfahren, geschweige denn fordern. Zu Beginn der von der PDS beantragten Debatte war
er für eine halbe Stunde unauffindbar; die Sitzung mußte unterbrochen werden.
Für die PDS-Fraktion warf Elke Herer Luther dann nach dem Urteil vorauseilenden Gehorsam vor, „statt den, wenn auch geringen, Handlungsspielraum aufzuzeigen“. Dabei werde u.a. die politische Absurdität auf die Spitze getrieben. Frau Herer zitierte aus der offiziellen Senats-Information vom 16. Juni: „Der Rechtsstaat darf eine Tötungshandlung nur zum Gegenstand seiner Finanzierung machen, wenn sie rechtmäßig ist... “
Eine Äußerung von Sozialsenatorin Stahmer (SPD), daß die finanzielle Unterstützung größer sei, als angenommen, wertete die PDS-Abgeordnete als Verharmlosung der Situation. Woher soll denn da plötzlich das viele Geld kommen, woher erhalten Beratungsstellen nach ABM-Auslauf feste Stellen?
Sibyll Klotz (Bündnis 90/ Grüne) bezeichnete die BVG-Entscheidung als nur die Spitze eines Eisberges. Die ordne sich in eine Politik ein, „die es geschafft hat, daß das Wort Frauen heute synonym benutzt wird mit Verliererinnen der Einheit“. Auf die im Urteil
erwähnten „erforderlichen Maßnahmen“ eingehend, fragte sie den Senat: Wieviel Wohnungen werden Beratungsstellen zur Vergabe an Schwangere überlassen? Wieviel Kita-Plätze werden 1993 mehr angeboten? Wieviel Frauenarbeitsplätze werden 1993 für Schwangere geschaffen? Sie verlangte, sofort die Privatisierung des sozialmedizinischen Dienstes und Einsparungen im Frauengesundheitsbereich zu stoppen.
Grundsätzliche Kritik am BVG-Urteil auch von Seiten aller anderen Parteien. Wobei sich die CDU-Rednerin Irina-Cornelia Schlicht dies nicht verkneifen konnte: Das Urteil müsse man akzeptieren. Karlsruhe sei halt Grundpfeiler der Demokratie.
Also allseitige Erregung ohne demokratisch-freiheitliche Folgen. Der Senat bedauerte das Urteil, versprach Schadensbegrenzung, gab aber keine definitive Aussage, bundesaktiv zu werden.
MICHAEL MULLER
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