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  • Politik
  • Fürchtet Bundesgerichtshof Öffentlichkeit?

Birgit Hogefeld von der Außenwelt abgeschirmt

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Bemühungen des „Neuen Deutschland“, ein Interview mit dem inhaftierten RAF-Mitglied Birgit Hogefeld zu führen, sind vorerst gescheitert. Der zuständige Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH), Dr. Beyer, hatte einen entsprechenden Antrag abgelehnt. Für die Prüfung des Widerspruchs brauchte Dr. Beyer nur einen Tag, und um das Ergebnis mitzuteilen, nur einen Satz: „Ihre. Gegenvorstellungen vom 11.8. 1993 geben keinen Anlaß zur Änderung des Beschlusses vom 9. 8. 1993“. Inhaltsgleiche Ablehnungen ihrer Interviewanträge erhielten neben ND auch die taz, das ZDF sowie der Konkret-Autor Oliver Tolmein.

Daß die Presse nicht das Recht haben soll, das Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu stillen, ist eine Sache, die Einschränkung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung für Frau Hogefeld eine andere. Richter Beyer geht aber noch weiter. Er läßt derzeit prüfen, ob gegen Hogefelds Rechtsanwälte, Ursula Seifert und Berthold Fresenius, ein standesrechtliches Verfahren eingeleitet werden kann. Grund für diesen Schritt sind die beiden letzten Erklärungen Hogefelds, die beide nicht durch Richterhände, gegangen sind, bevor sie die Öffentlichkeit erreichten. Das hätten sie nach Ansicht Beyers jedoch tun sollen. Denn nur Verteidigerpost, die unmittelbar das Strafverfahren betrifft, muß nicht die richterliche Zensur passieren. In einem Schreiben Dr. Beyers an die Rechtsanwaltskammer vom 27 Juli, das ND vorliegt, begründet der Ermittlungsrichter seinen Verdacht wie folgt:

„Beide Verteidiger haben die Beschuldigte. mehrfach besucht. Die unmittelbare Übergabe von Schriftstücken ist zwar durch die gesetzlich vor-

geschriebene Trennscheibe ausgeschlossen. Diese Maßnahme kann aber erfahrungsgemäß ohne weiteres dadurch umgangen werden, daß der Untersuchungsgefangene das betreffende Schriftstück an die Trennscheibe hält und der Rechtsanwalt den Text abschreibt oder abliest und in ein Diktiergerät spricht.“

Auch dieses Verfahren verstoße gegen die Vollzugsordnung, „sofern die Mitteilungen - wie hier - nicht unmittelbar das Strafverfahren betreffen“. Genau das ist der Punkt, über den sich Anwältin Seifert erbost zeigt. Gegenüber ND beklagte sie, daß nur der Ermittlungsrichter entscheide, was verfahrensrelevant sei und was nicht. Dabei habe sie schon vor Wochen nur durch die Veröffentlichung von Birgit Hogefelds Äußerungen die öffentliche Falschdarstellung stoppen können, Frau Hogefeld habe in Bad Kleinen als erste das Feuer eröffnet. Bundesanwaltschaft und BGH bedienten sich pausenlos der Öffentlichkeit, während dies für die Verteidigung unmöglich gemacht werden solle.

Dabei zeigen jüngste Ereignisse, was Birgit Hogefeld für wichtige Aussagen zum Geschehen in Bad Kleinen machen könnte. Denn was jüngst als „neuer Skandal“ verkauft wurde, hatte Hogefeld in ihrer ersten Erklärung, kurz nach der Festnahme, schon mitgeteilt: Die Waffe wurde ihr erst 20 Minuten nach der Festnahme im Polizeiwagen abgenommen. Solche für staatliche Stellen unangenehmen Tatsachen soll sie in Zukunft offensichtlich nicht mehr in der Öffentlichkeit äußern können. Insofern ist die Verhinderung eines Interviews mit Birgit Hogefeld ein weiterer Schritt der bewußten Verschleierung der Vorgänge in Bad Kleinen.

IVO BOZIC

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