Besser nicht zu hoch fliegen
Wenn die Sonne Strahlen spuckt, wirds im erdnahen Raum ungemütlich
Russische Technik - so die landläufige Meinung - ist zwar nicht immer die schönste und modernste, aber ungemein robust. Wie die Besatzung der internationalen Raumstation ISS derzeit erfahren konnte, bauen die Russen tatsächlich mit etwas dickerem Blech. Denn wegen der heftigen Sonnen-»Stürme«, die derzeit toben, haben sich die Astronauten sicherheitshalber in das besser gegen Strahlen geschützte russische Modul der Station zurückziehen müssen. Weiter unten dürften die Launen der Sonne weniger Probleme verursachen, denn auf der Erdoberfläche stehen wir unter dem Schutz des mächtigen Magnetfeldes unserer Erde.
Die Ausbrüche von Sonnenmaterie, die in den vergangenen Tagen für Schlagzeilen sorgten, haben natürlich schon etwas Beängstigendes. Immerhin schossen die Flammenzungen ein Vielfaches des Erddurchmessers aus der Sonne heraus, und die beschleunigten Teilchenwolken rasten innerhalb eines Tages bis zur 150 Millionen Kilometer entfernten Erde. Quelle des nach Angaben der US-Raumfahrtbehörde NASA drittgrößten derartigen Ausbruchs seit 1976 ist ein mehrere 100 000 Kilometer großer Sonnenfleck. Dort herrscht offenbar ein immenser Energieüberschuss, der sich in der Teilchenwolke und einem Lichtblitz entlud, der auch im Ultraviolett- und Röntgenbereich gut sichtbar war. Da in der extrem heißen Sonne die Materie im Wesentlichen aus Elektronen sowie Wasserstoffkernen (Protonen) und Heliumkernen (Alphateilchen) besteht, die allesamt elektrisch geladen sind, wirken die Magnetfelder der Sonnenflecken wie ein gigantischer Teilchenbeschleuniger, der das Sonnenplasma in den Weltraum feuert. Bei den jüngsten Ausbrüchen stand den Plasmawolken von der Sonne eben gerade die Erde im Weg.
Auch wenn negative Folgen für die menschliche Gesundheit durch den doppelten Schutz aus Erdmagnetfeld und Atmosphäre ziemlich unwahrscheinlich sind, ganz spurlos geht eine solche beispiellose Sonneneruption nicht vorüber. Denn anders als unsere Vorfahren hängen wir heute in vielfacher Hinsicht von technischen Errungenschaften ab, die empfindlich sind für die Störung durch starke Strahlung. Die Größe eines Schadens durch Naturereignisse - daran erinnert im ND-Gespräch der Geophysiker Heinz Kautzleben - hängt weniger vom Naturereignis selbst ab. Entscheidend sei, ob sich die Menschen bei ihrem Tun auf die Möglichkeit solcher Ereignisse einstellen. Und da liegt es nach Ansicht des Berliner Geowissenschaftlers im Argen. Außer in der Rüstung, der Raumfahrt und vielleicht der Flugzeugtechnik hätten die Ingenieure in den letzten Jahrzehnten derartige Risiken kaum noch eingeplant. So sind elektronische Chips vielfach schon durch einige wenige hochenergetische Teilchen teilweise außer Gefecht zu setzen. Und die Stromnetze der relativ nahe am geomagnetischen Pol gelegenen USA und Kanada sind bis heute kaum auf das Abfangen größerer Störungen hin überarbeitet worden. Der jüngste Blackout im Osten der USA belegt das. Als 1989 auf dem Höhepunkt des letzten Sonnenfleckenmaximums ein Magnetsturm die Erde traf, brach infolge einer ähnlichen Kettenreaktion das Netz in der kanadischen Provinz Quebec vollständig zusammen.
Begünstigt werden solche Ausfälle schon durch die geografische Lage Kanadas. So weit im Norden ist der Schutz durch das Erdmagnetfeld schwächer. Den physikalischen Wirkmechanismus, der das kanadische Netz lahm legte, kennt man schon aus dem Physikunterricht in der Schule. Die Myriaden von Elektronen und Protonen aus der Sonne umkreisen durch das Magnetfeld gesteuert die Erde wie der elektrische Strom in einer überdimensionalen Magnetspule. Dabei fließen nach Angaben des GeoForschungsZentrums Potsdam (GFZ) mehrere Millionen Ampère starke Ströme. Wenn dieses Magnetfeld mit dem An- und Abschwellen des Sonnensturmes schwankt, wird in sehr langen Kabeln in höheren Breiten eine zusätzliche Spannung induziert. Diese Spannungsschwankungen zur Unzeit können einzelne Netzknoten aus dem Tritt bringen.
Hier kommt nun die dritte - menschliche - Voraussetzung ins Spiel. Wenn die Netze sehr lange Leitungen und wenige Verbindungen aufweisen, können lokale Spannungsspitzen zum lawinenhaften Abschalten weiterer Netzknoten führen. Wenn dann noch Probleme in der Regelungstechnik auftreten, sei es durch Strahlenschäden in Mikrochips, sei es durch Programmfehler oder Computerviren, ist der gefürchtete Blackout da.
Bei weitem wahrscheinlicher allerdings sind andere technische Probleme. Hauptleidtragende von erhöhter Sonnenaktivität sind immer die Kurzwellenfunker. Denn sie sind darauf angewiesen, dass nur in der Ionosphäre eine gleichmäßig ionisierte Reflexionsschicht besteht. Sonnenstürme aber zerlöchern nicht nur diesen Kurzwellen-»Spiegel«, sie sorgen auch mit Phantomspiegeln in tieferen Atmosphärenschichten für unerwünschte Reflexionen. Die stören dann auch den Funkverkehr und das Radar in der Luftfahrt. Deshalb wurde beispielsweise über Deutschland vorsorglich die Zahl der genehmigten Flüge reduziert.
Das für die Navigation in der Seefahrt und im Luftverkehr kaum noch wegzudenkende GPS-System kann ebenfalls beeinträchtigt werden. So würde natürlich ein Satellitenausfall durch zerstörte elektronische Bauelemente die Verlässlichkeit verringern. Doch auch ohne Totalschaden gibt es derzeit Genauigkeitsverluste. Da die Satelliten bei Position, Borduhr und Datenübertragung so genau sein müssen, dass selbst Effekte aus der Allgemeinen Relativitätstheorie in die Rechnung eingehen, wie Prof. Kautzleben erklärt, macht sich schon eine Veränderung beim Übertragungsmedium der Funksignale bemerkbar. Zudem - darauf weist das GFZ hin, führen die starken elektrischen Ströme zu Erwärmung und Ausdehnung der äußersten Bereiche der Atmosphäre. Dadurch werden Satelliten auf ihrer Bahn stärker abgebremst, als eigentlich vorgesehen. Die vom GFZ betriebenen CHAMP-Forschungssatelliten seien doppelt so stark gebremst worden wie normalerweise. Doch wenn die Satelliten Geschwindigkeit verlieren, sinken sie gleichzeitig. Auch diese außerplanmäßig niedrigen Flugbahnen der GPS-Satelliten dürften eine Fehlerquelle sein.
Was auch immer die Sonnenstürme der nächsten Tage bringen mögen - für Wochenbeginn wurde bereits der nächste angekündigt -, für die Ufologen und ihre Kritiker haben schon die letzten Tage viel Material geliefert. Da die erhöhte Strahlung auch mehr Polarlichter in unseren Breiten bringt, kam es in der Nacht zum Donnerstag zu einer Welle von Ufo-Meldungen beim Centralen Erfors...
Die Ausbrüche von Sonnenmaterie, die in den vergangenen Tagen für Schlagzeilen sorgten, haben natürlich schon etwas Beängstigendes. Immerhin schossen die Flammenzungen ein Vielfaches des Erddurchmessers aus der Sonne heraus, und die beschleunigten Teilchenwolken rasten innerhalb eines Tages bis zur 150 Millionen Kilometer entfernten Erde. Quelle des nach Angaben der US-Raumfahrtbehörde NASA drittgrößten derartigen Ausbruchs seit 1976 ist ein mehrere 100 000 Kilometer großer Sonnenfleck. Dort herrscht offenbar ein immenser Energieüberschuss, der sich in der Teilchenwolke und einem Lichtblitz entlud, der auch im Ultraviolett- und Röntgenbereich gut sichtbar war. Da in der extrem heißen Sonne die Materie im Wesentlichen aus Elektronen sowie Wasserstoffkernen (Protonen) und Heliumkernen (Alphateilchen) besteht, die allesamt elektrisch geladen sind, wirken die Magnetfelder der Sonnenflecken wie ein gigantischer Teilchenbeschleuniger, der das Sonnenplasma in den Weltraum feuert. Bei den jüngsten Ausbrüchen stand den Plasmawolken von der Sonne eben gerade die Erde im Weg.
Auch wenn negative Folgen für die menschliche Gesundheit durch den doppelten Schutz aus Erdmagnetfeld und Atmosphäre ziemlich unwahrscheinlich sind, ganz spurlos geht eine solche beispiellose Sonneneruption nicht vorüber. Denn anders als unsere Vorfahren hängen wir heute in vielfacher Hinsicht von technischen Errungenschaften ab, die empfindlich sind für die Störung durch starke Strahlung. Die Größe eines Schadens durch Naturereignisse - daran erinnert im ND-Gespräch der Geophysiker Heinz Kautzleben - hängt weniger vom Naturereignis selbst ab. Entscheidend sei, ob sich die Menschen bei ihrem Tun auf die Möglichkeit solcher Ereignisse einstellen. Und da liegt es nach Ansicht des Berliner Geowissenschaftlers im Argen. Außer in der Rüstung, der Raumfahrt und vielleicht der Flugzeugtechnik hätten die Ingenieure in den letzten Jahrzehnten derartige Risiken kaum noch eingeplant. So sind elektronische Chips vielfach schon durch einige wenige hochenergetische Teilchen teilweise außer Gefecht zu setzen. Und die Stromnetze der relativ nahe am geomagnetischen Pol gelegenen USA und Kanada sind bis heute kaum auf das Abfangen größerer Störungen hin überarbeitet worden. Der jüngste Blackout im Osten der USA belegt das. Als 1989 auf dem Höhepunkt des letzten Sonnenfleckenmaximums ein Magnetsturm die Erde traf, brach infolge einer ähnlichen Kettenreaktion das Netz in der kanadischen Provinz Quebec vollständig zusammen.
Begünstigt werden solche Ausfälle schon durch die geografische Lage Kanadas. So weit im Norden ist der Schutz durch das Erdmagnetfeld schwächer. Den physikalischen Wirkmechanismus, der das kanadische Netz lahm legte, kennt man schon aus dem Physikunterricht in der Schule. Die Myriaden von Elektronen und Protonen aus der Sonne umkreisen durch das Magnetfeld gesteuert die Erde wie der elektrische Strom in einer überdimensionalen Magnetspule. Dabei fließen nach Angaben des GeoForschungsZentrums Potsdam (GFZ) mehrere Millionen Ampère starke Ströme. Wenn dieses Magnetfeld mit dem An- und Abschwellen des Sonnensturmes schwankt, wird in sehr langen Kabeln in höheren Breiten eine zusätzliche Spannung induziert. Diese Spannungsschwankungen zur Unzeit können einzelne Netzknoten aus dem Tritt bringen.
Hier kommt nun die dritte - menschliche - Voraussetzung ins Spiel. Wenn die Netze sehr lange Leitungen und wenige Verbindungen aufweisen, können lokale Spannungsspitzen zum lawinenhaften Abschalten weiterer Netzknoten führen. Wenn dann noch Probleme in der Regelungstechnik auftreten, sei es durch Strahlenschäden in Mikrochips, sei es durch Programmfehler oder Computerviren, ist der gefürchtete Blackout da.
Bei weitem wahrscheinlicher allerdings sind andere technische Probleme. Hauptleidtragende von erhöhter Sonnenaktivität sind immer die Kurzwellenfunker. Denn sie sind darauf angewiesen, dass nur in der Ionosphäre eine gleichmäßig ionisierte Reflexionsschicht besteht. Sonnenstürme aber zerlöchern nicht nur diesen Kurzwellen-»Spiegel«, sie sorgen auch mit Phantomspiegeln in tieferen Atmosphärenschichten für unerwünschte Reflexionen. Die stören dann auch den Funkverkehr und das Radar in der Luftfahrt. Deshalb wurde beispielsweise über Deutschland vorsorglich die Zahl der genehmigten Flüge reduziert.
Das für die Navigation in der Seefahrt und im Luftverkehr kaum noch wegzudenkende GPS-System kann ebenfalls beeinträchtigt werden. So würde natürlich ein Satellitenausfall durch zerstörte elektronische Bauelemente die Verlässlichkeit verringern. Doch auch ohne Totalschaden gibt es derzeit Genauigkeitsverluste. Da die Satelliten bei Position, Borduhr und Datenübertragung so genau sein müssen, dass selbst Effekte aus der Allgemeinen Relativitätstheorie in die Rechnung eingehen, wie Prof. Kautzleben erklärt, macht sich schon eine Veränderung beim Übertragungsmedium der Funksignale bemerkbar. Zudem - darauf weist das GFZ hin, führen die starken elektrischen Ströme zu Erwärmung und Ausdehnung der äußersten Bereiche der Atmosphäre. Dadurch werden Satelliten auf ihrer Bahn stärker abgebremst, als eigentlich vorgesehen. Die vom GFZ betriebenen CHAMP-Forschungssatelliten seien doppelt so stark gebremst worden wie normalerweise. Doch wenn die Satelliten Geschwindigkeit verlieren, sinken sie gleichzeitig. Auch diese außerplanmäßig niedrigen Flugbahnen der GPS-Satelliten dürften eine Fehlerquelle sein.
Was auch immer die Sonnenstürme der nächsten Tage bringen mögen - für Wochenbeginn wurde bereits der nächste angekündigt -, für die Ufologen und ihre Kritiker haben schon die letzten Tage viel Material geliefert. Da die erhöhte Strahlung auch mehr Polarlichter in unseren Breiten bringt, kam es in der Nacht zum Donnerstag zu einer Welle von Ufo-Meldungen beim Centralen Erfors...
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