- Brandenburg
- Mit den Verkehrstarifen ging es meist rauf, manchmal auch runter / Mit der BVG vorwärts in die Vergangenheit?
Eine Tram-Fahrt kostete mal 150 Milliarden Mark
Wer anno 1901 die zum Teil noch von Pferden gezogenen Wagen der Berliner Straßenbahn benutzte, kam billig weg. Für jede Tour wurden vom Conducteur zehn Pfennige kassiert. Honoratioren fuhren sogar kostenlos, wie aus einer „Dienstordnung für Schaffner und Fahrer“ von 1899 hervorgeht: „Den Inhabern der Freifahrtscheine mit den Nummern 1 bis 10 ist, als der Verwaltung besonders nahe stehenden Personen, mit Ehrerbietung und Achtung zu begegnen.“
Seither gab es bei den Verkehrstarifen ein häufiges Auf und Ab. Dessen Ausmaß hing von den wirtschaftlichen Verhältnissen im Land, dem Wert des Geldes und den Reglements der Transport-Gesell-
schaften ab, die zwischen Zehlendorf und Pankow ihre Vehikel rollen ließen.
Als 1902 die ersten U-Bahnen zwischen Warschauer Brücke, Potsdamer Platz und Knie (heute Ernst-Reuter-Platz) fuhren, erprobten die Betreiber ein Zonen-Tarifsystem. Wer nur vier Bahnhöfe weit fuhr, entrichtete in der 3. Klasse einen, in der 2. Klasse anderthalb Groschen. Die gesamte Strecke kostete 30 beziehungsweise 40 Pfennige. Diesen Preis konnten sich Arbeiter und kleine Angstellte nicht immer leisten, weshalb ein Billigtarif im „Frühverkehr“ eingeführt wurde. Monatskarten gab es bei der U-Bahn erst 1926. In der Inflationszeit änderten sich die Fahrpreise jeden Tag. Ihren
Höhepunkt erreichten sie am 22. November 1923, als die Einzelfahrt mit der Tram 150 Milliarden Mark kostete. Nachdem es wieder stabiles Geld gab, wurde bei den Stra-ßenbahnen der Einheitstarif von 15 Pfennigen eingeführt.
Ein bedeutender Tag war der 15. März 1927, als sich die großen Berliner Verkehrsgesellschaften zu einer Interessengemeinschaft mit einheitlichen Fahrpreisen zusammenschlössen. Damals wurde das allgemeingültige 20-Pfennig-BiUett geboren, mit dem man zwischen Straßen- und Untergrundbahn und ab 1928 auch auf Omnibusse umsteigen konnte. Bei Benutzung von S-Bahnen mußten in der „Nahzone“ (Stadt- und Ringbahn) 30 Pfennige entrichtet wer-
den. Zugleich wurde bei der Untergrund- und Hochbahn die 2. Wagenklasse abgeschafft. Dadurch erlebte Berlin allein im Jahre 1927 einen Zuwachs an Fahrgästen um 125 Millionen.
Am 1. Januar 1929 schlössen sich die hauptstädtischen Beförderungs-Unternehmen zur Berliner Verkehrs-Aktiengesellschaft (BVG) zusammen. Seither gab es einheitliche Fahrpreise auf allen Berliner Verkehrsmitteln, die sich bis in die Nachkriegszeit nur wenig änderten. Modifiziert wurde mehrmals das System der Umsteige-Billetts und Zeitkarten.
Nach der Spaltung der Verkehrsbetriebe Ost und West entwickelten sich auch unter-
schiedliche Tarife. Hinzu kamen bis zum Mauerbau Sonderfahrpreise der West-BVG für Fahrgäste aus dem Osten. DDR-Bürger konnten in der Inselstadt mit Ostgeld bezahlen. Später wurde für Ost-Besucher im Westen der Null-Tarif eingeführt, der bis 31. Dezember 1989 hielt.
Im Westteil ging es mit den Fahrpreisen kontinuierlich bergauf. 1951 kostete eine Fahrt 25 Pfennige, 1976 schon eine Mark. 1983 war die Zwei-Mark-Grenze erreicht, am 1. August 1991 wurden drei Mark fällig. Mit 3,50 Mark (West) und 3,10 Mark (Ost) ab 1. Januar 1994 wird - abgesehen von den Inflation-Billets ein Rekord erreicht.
EVA REINHARDT, ADN
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