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  • Brandenburg
  • Zukunftswerkstatt diskutierte Stand und Perspektiven der Frauenbewegung:

Das Jammern ist vorbei, jetzt soll geglänzt werden

  • Lesedauer: 3 Min.

Keine Partei, kein Gremium kommt heute um Frauenpolitik herum. In Berlin hat sich seit den 70er Jahren eine lebendige Projekteszene entwickelt - Erfolge, die vor allem der Frauenbewegung au-ßerhalb der etablierten Parteien zu verdanken sind. Aber viele Gräben sind über die Zeit hinweg offengeblieben, was sich heute als Hindernis erweist, zentrale Anliegen von Frauen zu verfolgen. Kein Aufschrei ging durch die Hochburg der Frauenprojektebewegung, als deutlich wurde, daß fast alle Zentren, Archive und Beratungsstellen in Berlin durch die Kürzung von ABM-Mitteln existentieU gefährdet sind.

Wie es soweit kommen konnte und wie weiteren drohenden Rückschlägen in der Frauenpolitik offensiv begeg-

net werden kann, wollte die Zukunftswerkstatt Berlin wissen und lud am Montag abend die Berliner Frauenprominenz unter dem Motto „Brauchen wir eine neue Frauenbewegung?“ zur Diskussion.

Und die Krisenstimmung war deutlich zu spüren. Von der Vorsitzenden des Verbandes deutscher Unternehmerinnen, Sabine Kamprowski, bis hin zur Männerforscherin Haiina Bendkowski waren sich alle einig, daß die einzige Chance für Frauen darin liege, gegenseitige Vorurteile abzubauen und ein übergreifendes Netzwerk zu knüpfen. Es gebe zu viele Frauen, mit denen man nicht rede, erklärte Karin Hentschel, ehemals Staatssekretärin für Frauenfragen im rot-grünen Senat. Gegenseitiges Unverständnis bestehe vor allem zwischen Ost- und

Westberliner Frauen. Die Beziehung von Fachfrauen, also etablierten Frauen in Wirtschaft, Justiz oder Verwaltung, und politischen Aktivistinnen sei weitgehend von Mißtrauen beherrscht.

Auch wenn nicht alle Anwesenden diese Einschätzung uneingeschränkt teilen wollten - Sibyll Klotz vom Unabhängigen Frauenverband behauptete, die Streitpunkte zwischen Ost und West seien einem „sachlichen Miteinander“ gewichen. Justizsenatorin Jutta Limbach sah für sich kein Problem darin, fachliche Arbeit und Politik zu verbinden.

Festzuhalten blieb, daß sich die Bewegung interne Rangeleien einfach nicht mehr leisten kann. Denn auch so schon hat die katastrophale Entwicklung der Rahmenbedin-

gungen ökonomische Themen vollständig in den Vordergrund gerückt. „Nach der Wohlstandsphase der rot-grünen Koalition sind spezielle Frauen-Projekte heute scheinbar aus der Mode gekommen“, meinte Michaele Schreyer von Bündnis 90/Die Grünen. Dabei werde vergessen, daß Frauen von der wirtschaftlichen Krise besonders betroffen sind.

Es sei nicht Aufgabe der Frauenbewegung, die verfahrene Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage in der BRD zu lösen. Aber äußerer Druck dürfe nicht dazu führen, daß Frauen ihre Ansprüche aufgeben, erklärte Helga Hentschel. Ob es'gelingt, die Ansprüche entsprechend der veränderten Lage neu zu formulieren und sie in parteiübergreifenden Initiativen oder „Seilschaften“ auch durchzusetzen, sei

der Maßstab, an dem sich die Stärke der Frauenbewegung künftig zeigen müsse: „Wir brauchen ein positives, erotisches Verhältnis zur Macht.“

Eine Signalwirkung versprachen sich die diskutierenden Frauen vom Frauenstreiktag am 8.März. Nur Männerforscherein Haiina Bendkowski unkte, daß die Unzufriedenheit in der Bevölkerung nicht groß genug und die Ausstrahlung der aktiven Frauen zu ernsthaft sei. „Die feministische Intelligenz sitzt in den Projekten und jammert“, meinte sie. Solange das nicht aufhöre und von einer glanzvollen Außendarstellung abgelöst werde, blieben sowohl jüngere Frauen als auch die Bündnispartner aus.

Diesen Glanz soll nun der nächste 8. März bringen.

BEATE WILLMS

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