Studenten: Reiche Eltern für alle!
Großdemonstration in Berlin mit mehr als 30000 Teilnehmern/Bündnis von sozialen Initiativen
König Kai schaut zufrieden auf seine Untertanen. »Ich verspreche euch Bildung, Sicherheit, Sommer, Sonne und Schokolade« tönt es vom königlichen Hochsitz. »Wir wollen klare Strukturen! Endlich Planungssicherheit!« jubeln ihm die Ethnologie-Studenten der Freien Universität Berlin (FU) zu. Mit ihrer Performance kritisierten auf der Demonstration am Samstag die zukünftigen Ethnologen die Politik des Berliner Senats.
Trotz des nasskalten Wetters waren allein in Berlin etwa 30000 Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die massiven Kürzungen im Bildungs- und Sozialbereich zu protestieren. Parallel fanden auch in Leipzig und Frankfurt a.M. Studierendenproteste statt. Für die nächste Woche öffnen die Studierenden der FU und der HU ihre Universitäten zur »Offenen Hochschule«, um mit interessierten Menschen neue Konzepte zur Hochschulpolitik zu entwickeln. Die Technische Universität (TU) plant am 19. Dezember einen Aktionstag. Auch im neuen Jahr werden die Streiks und Aktionen fortgesetzt.
Den Protesten schließen sich zunehmend auch soziale Initiativen sowie Gewerkschaften an. »Wenn wir die Kürzungen an den Unis abkoppeln von den Entwicklungen in anderen gesellschaftlichen Bereichen, dann ist unser Protest zum Scheitern verurteilt«, so eine Studentin der Humboldt-Universität (HU) auf der Berliner Samstagsdemo. Michael Hammerbacher vom Berliner Sozialforum wertet die Demo vom vergangenen Samstag als »überwältigenden Erfolg«. »Wir arbeiten an der Vernetzung zwischen sozialen Initiativen, Frauenprojekten, Gewerkschaften mit den Streik-Räten der Universitäten«. Auch wenn dieser »Brückenschlag noch sehr jung« sei, »ist die Zusammenarbeit sehr gut«, kommentiert Hammerbacher. Schon bei der Samstags-Demo habe sich ein Erfolg gezeigt. Etwa ein Drittel der Demo-Teilnehmer seien keine Studenten gewesen.
Seit mehreren Wochen befinden sich die drei Berliner Hochschulen nun schon im Streik. Inzwischen haben sich die Alice-Salomon-Fachhochschule für Sozialarbeit/-pädagogik (ASFH) und die Universität der Künste (UdK) dem Streik angeschlossen. Mehrere Fachhochschulen erklärten sich solidarisch, zum Beispiel die Katholische Fachhochschule für Sozialarbeit. Nach den Vorgaben des Berliner Senats sollen die Hochschulen 75 Millionen Euro einsparen. »Gleichzeitig verschwendet man Gelder für Großprojekte, die vollkommen sinnlos sind«, schimpft Klaus Piepenhagen. Der Blankenfelder ist extra zur Demonstration angereist, um gegen den Großflughafen Schönefeld zu protestieren. »46,4 Millionen Euro sind allein im vergangenen Jahr da hinein geflossen. Und den Studenten nimmt man das Geld!«. Auch für Ute Brach vom Landeselternausschuss ist die Teilnahme an der Demo Ehrensache. Ihr achtjähriger Sohn Florian werde sicherlich auch einmal studieren. »Unsere Kinder sind die zukünftigen Studenten«.
Auf ihren Transparenten fordern die Demonstranten »Lebensqualität für alle« und protestieren gegen den Bildungs-, Sozial- und Kulturabbau. »Armut - wir schaffen das« verspricht ein anderes Spruchband. Der drohenden Verarmung setzen einige ihre Forderung nach einer sozialen Grundsicherung entgegen. Ein Leben in Würde und unter ausreichender materieller Grundversorgung sei ein Menschenrecht, erklärt Marek Voigt von den Jungdemokratinnen/Junge Linke das Konzept. Zu finanzieren sei eine solche Sozialleistung mit der »Umverteilung von oben nach unten und dem Abbau der Sozialbürokratie«. »Einen Mercedes fahren, aber den Kindern das Sparschwein klauen«, spottete hingegen die Sprecherin der HU in ihrem Redebeitrag. Wenn die Politiker keine vernünftigen Konzepte entwickeln könnten, dann »müssen sie eben zurücktreten«, fordert die Studentin.
»Es gibt einfach keine vernünftige Partei«, stimmt ihr Björk Nätebusch zu. Die Arzthelferin bekommt in ihrer Praxis unmittelbar die Folgen der Gesundheitsreform zu spüren. »Die Patienten rennen uns derzeit die Bude ein. Und wegen der ab nächstem Jahr fälligen Praxisgebühren werden wir regelrecht beschimpft - als ob wir daran schuld wären!«, ärgert sich die Norwegerin. Bei den Patienten gebe es »sehr viel Unmut«, weil viele Menschen eben einfach arm sind«. »Wir kriegen die Wut der Eltern ab«, kann auch Susanne Robben berichten. »Die Erzieherin beklagt, dass im Kita-Bereich ständig gestrichen werde, »aber die Kinder müssen doch betreut werden!«.
»Auch bei uns sind die Arbeitsbedingungen einfach unglaublich!« empört sich Brigitte Krebs. Die Lehrerin arbeitet in einer Neuköllner Schule. »Große Klassen, viel Schmutz, kein Lehrmaterial und kein Geld für Bücher!« beschreibt die Gewerkschafterin. Am Abend waren zwar manche Transparente ziemlich durchgeweicht - der Demozug versprühte trotzdem gute Laune. »Die Demonstration war ein wunderschöner Abschluss des alten und ein guter Übergang ins neue Jahr«, stellte Peter Hartig vom RefRat der Humboldt-Universität (HU) fest. Bei dem schlechten Wetter habe sich gezeigt, w...
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