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Mieter sind empört: „Wir werden zugebaut

Bauvorhaben an Landsberger Allee in Hohenschönhausen umstritten / Bürger fühlen sich übergangen

  • Lesedauer: 3 Min.

Lebensqualität - an der Landsberger Allee gegenüber dem Wasserwerk ND-Foto: Burkhard Lange

Den Bewohnern im Dreh Landsberger Allee, Zechliner und Genslerstraße in Hohenschönhausen langt es-. „Wir werden zugebaut“, empört sich Christine Hempel, Mitglied Bürgerinitiative Landsberger Allee 221-239, die sich Ende vergangenen Jahres gebildet hat.

„In unserem Wohngebiet wird ein Bauvorhaben nach dem anderen begonnen, ohne die Bürger zu informieren und einzubeziehen.“ Nachdem die Initiative deshalb im Dezember eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Baustadtrat Axel Rakkow (CDU) bei Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) einreichte und darauf immer noch keine Antwort bekam, schickte sie jetzt eine Petition mit 700 Unterschriften an das Abgeordnetenhaus. „Ein letzter Versuch, Demokratie einzufordern und das Schlimmste für unser Wohngebiet zu verhindern,“ meint Christine Hempel.

Ausgelöst wurde der Unmut vor allem mit dem Baubeginn für 207 Wohnungen entlang der Landsberger Allee, gegenüber dem alten Wasserwerk, im vergangenen November. Da waren in der unmittelbaren Nachbarschaft bereits neun Wohnblocks an der Simon-Bolivar-Straße fast rohbaufertig und das Landsberger Allee-Center, das Ecke Genslerstraße als neues Stadtteilzentrum entsteht, längst im Bau. „Es hat jetzt fast den Anschein, als seien wir gegen Wohnungsbau,

was natürlich nicht stimmt , sagt Christine Hempel. „Wir wehren uns nur dagegen, daß wir bestenfalls scheibchenweise über die Projekte informiert und vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Alles, was hier geplant ist, muß endlich auf den Tisch kommen.“

Dieser Meinung war auch die BW und verpflichtete den Baustadtrat, im Januar ein öffentliches Hearing zu den Planungen für Hohenschönhausen-Süd zu veranstalten. Darauf warten die Bürger bis heu-

te. Stattdessen sickerten weitere Baupläne durch. So plant die Wohnungsbaugesellschaft Hohenschönhausen ab Herbst den Bau weiterer Blocks mit 144 Wohnungen an der Zechliner Straße, die teilweise an die bestehenden Wohnhäuser im Winkel von 70 Grad angepappt werden sollen. „Manche Mieter werden dadurch keine Sonne mehr sehen, dafür aber sehr viel hören - diese Konstruktion wirkt wie ein Schalltrichter“, ist sich Christine Hempel sicher.

Klaus Güttler-Lindemann, Leiter des Stadtplanungsamtes (Baustadtrat Rackow ist noch in Urlaub), schließt zwar aus, daß die Blocks so gebaut werden, sondern höchstens im Winkel von 90 Grad, ansonsten bestätigt er, was die Bürger schon häufig zu hören bekamen: Jedes einzelne Bauvorhaben sei so klein bzw füge sich in vorhandene Bebauung ein, so daß keine Bürgerbeteiligung nötig sei. Lediglich an der westlichen Ecke des Wohngebiets, Landsberger Allee/

Weißenseer Weg, wo ab 1995 600 Wohnungen entstehen sollen, werde es ein Bebaungsplanverfahren mit Bürgerbeteiligung geben. Auf dem Gelände der ehemaligen GPG „Weiße Taube“ sei es bereits abgeschlossen. Dort hätte es kaum Einwände der Bürger gegen den noch in diesem Jahr beginnenden Bau von 1 500 Wohnungen und eines großen Büro- und Dienstleistungskomplexes gegeben.

„Weil ihnen keiner reinen Wein eingeschenkt hat, was noch ringsum passiert“, wertet Christine 'Hempel das als Bestätigung für ihre Befürchtungen und als Versuch, die Bürger gegeneinander auszuspielen. „Wir waren nicht einbezogen, obwohl auch dieses Projekt vor unserer Haustür liegt.“ Sorgen bereitet der Bürgerinitiative neben dem Verlust an Frei- und Grünfläche vor allem, daß mit Wohnungen und Gewerbe die Infrastruktur nicht mitwächst. Bald würden in dem Wohngebiet zwischen Landsberger Allee, Rhinstraße und Konrad- Wolf-Straße statt 20 000 Menschen 30 000 wohnen. Aber keiner mache sich offenbar Gedanken, wie die zur Arbeit und wieder nach Hause kommen, und für den Bau von Kultur und Sportstätten fühle sich weder das Bezirksamt noch die Wohnungsbaugesellschaft verantwortlich. Christine Hempel: „Jetzt werden wir das, was uns seit Jahren nachgeredet wird: eine Schlafstatt.“

BERND KAMMER

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