"Schwarze Weisheiten" für Mahulana

Der Schriftsteller Landolf Scherzer präsentiert ein ungewöhnliches Solidaritätsprojekt

  • Jochen Reinert
  • Lesedauer: 4 Min.
Vor gut einem Jahr kündigte der Thüringer Schriftsteller Landolf Scherzer während der ND-Spendenaktion »Bildungschancen für Moçambique« ein ungewöhnliches Solidaritätsprojekt an. Nun ist es soweit: Morgen wird sein Buch »Schwarze Weisheiten« auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt.
Moçambique hat Landolf Scherzer seit 1982 - damals hatte er am Sambesi zusammen mit Afrikanern Hohlblocksteine zum Bau von festen Häusern in einem Bergarbeiterdorf hergestellt - nicht mehr losgelassen. Vor eineinhalb Jahren kam er auch wieder mit der Familie seines alten Vorarbeiters, den er respektvoll »o moi pai« (mein Vater) nannte, in Kontakt. Dessen Enkelin Josina - als Baby auf dem Umschlag seines Moçambique-Buches »Bom dia, weißer Bruder« abgebildet - schrieb ihm vom Tod des Großvaters, von dem Minenunglück, bei dem sie ihren Vater verlor und sie selbst die linke Hand, und von den Schwierigkeiten, mit denen sie als Lehrerin zu kämpfen hat. Mit Hilfe ehemaliger moçambiquischer Vertragsarbeiter, die in Deutschland leben, schickte Scherzer sechs Pakete mit Heften und Stiften an den Sambesi.
Der Schriftsteller unterstützt seither, wo immer möglich, Bildungsprojekte in seinem ehemaligen Gastland, »weil sie letztlich eine Investition in die Zukunft des Landes sind, weil sie Menschen mobilisieren, ihnen Wissen über ihre Rechte und das Selbstvertrauen geben, diese auch einzuklagen«. Und so kam er auf die Idee, ein besonderes Projekt für die Moçambique-Hilfe zu starten: Ein ohne Honorare von Autoren und Verlegern produziertes Minibuch »Schwarze Weisheiten«. Scherzer steuerte dazu eine Sammlung afrikanischer Lebensweisheiten bei, die er vom Sambesi mitbrachte. Zudem gewann er einen alten Bekannten, den moçambiquischen Künstler Manqueu Valente Mahumana, für die Mitarbeit. Das Ergebnis sind 13 Grafiken, die dem sehr geschmackvoll gestalteten Band ihr Gepräge geben. Grafiken, die die unendlichen Mühen der Bauern und Fischer darstellen, Not, Hunger und Überschwemmungen, aber auch Lebensglück und Stolz.
Scherzer hat Manqueu vor gut 20 Jahren unter bizarren Umständen kennen gelernt, als der Künstler in einer Art Stachanow-Doppelschicht, geschuldet den damaligen schwierigen Flugverbindungen, ein riesiges Wandbild im Eingangsbereich der Kohlengrube von Moatize malte. Scherzer ging dem Meister, er war auch Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Künste der DDR, zunächst mehr als Lehrjunge zur Hand, bis er unter dem starken Zeitdruck selbst die Farben mischen und zum Pinsel greifen musste. Am Ende ging ganz und gar die Farbe schwarz aus - jene Farbe, aus der nach Ansicht Manqueus alles wächst. Die Schilderung dieser Begegnung, ein Reportage-Kabinettstückchen, ist dem Bändchen ebenfalls beigefügt.
Die »Schwarzen Weisheiten«, die Scherzer vom Sambesi mitbrachte, betrachtet er nicht als nur-afrikanische Sprichworte. Während die heutige ökonomische Globalisierung den Menschen von einigen Mächtigen aufgezwungen werde, existierten seit Jahrhunderten und Jahrtausenden einander sehr ähnliche Volksweisheiten auf der Welt. »Egal ob schwarz, gelb oder rot - Volksweisheiten sind etwas Übergreifendes«, meint Scherzer, »weil sie aus der Natur der Menschen, aus den Erfahrungen mit ihrer Umwelt und ihren Gesellschaften entstanden sind. Diese Erfahrungen sind überall gleich«.
Der Erlös aus den »Schwarzen Weisheiten« soll der Erweiterung der Grundschule in dem moçabiquischen Ort Mahulana dienen. In dieser Gegend hat der Berliner Solidaritätsdienst-international (SODI) zunächst Minen geräumt und im Jahre 2000 gemeinsam mit örtlichen Kräften dank Spenden- und EU-Geldern jene Schule für 300 Mädchen und Jungen errichtet. Doch inzwischen reichen die Plätze selbst im Schichtbetrieb nicht mehr - viele Kinder müssen im Freien unterrichtet werden. Deshalb soll möglichst noch in diesem Jahr der Erweiterungsbau eingeweiht werden. Bis zu 400 weitere Schüler können dann auch in der fünften bis siebten Klasse hier ausgebildet werden. Nicht zuletzt ND-Leser haben bereits mehrere tausend Euro dafür gespendet. Aber der notwendige Spendenbetrag von 41000 Euro, der erreicht werden muss, damit das Entwicklungshilfeministerium seinen Zuschuss gibt, ist noch nicht ganz erreicht. Jedenfalls hat das Ministerium grundsätzlich bereits sein Plazet gegeben.
Landolf Scherzer wirft noch einmal einen Blick auf den Globus: »Größer können die Unterschiede in dieser Welt eigentlich nicht mehr sein - wenn man sieht, wie bei uns manche Glaspaläste für Millionen und Milliarden hingestellt werden und dort 10000 Euro fehlen, um ein ganz einfaches Schulgebäude zu bauen.« Nun hofft er, dass jene 400 Kinder aus Mahulana bald nicht mehr unter dem Affenbrotbaum lernen müssen.


Landolf Scherzer stellt die »Schwarzen Weisheiten« morgen um 11 Uhr auf der Leipziger Buchmesse am Stand der NORA Verlagsgemeinschaft in Halle 3 vor.

Die »Schwarzen Weisheiten« - erschienen in der Berliner NORA Verlagsgemeinschaft - kann man sowohl über Buchhandlungen als auch über SODI erhalten.
Gegen eine Spende von mindestens 5 Euro sendet der Solidaritätsdienst-international e.V. (SODI), Grevesmühlener Straße16, 13059 Berlin, Ihnen die »Schwarzen Weisheiten« ins Haus. SODI ist ferner zu erreichen unter 030-9286047, Fax: 030-9286003 und E-Mail: info@sodi.de
Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.