Mörder-Doktor
Dr. med. Klaus Endruweit ist tot. Im gesegneten Alter von 80 Jahren ist er in Hildesheim gestorben, informiert eine Anzeige der Kassenärztlichen Vereinigung und der Ärztekammer Niedersachsens in der „Hildesheimer Allgemeinen Zeitung“, zugleich versichernd: „Wir werden seiner ehrend gedenken.“ Ein ganz spezielles Kapitel der Aufarbeitung von Nazi-Verbrechen durch die bundesdeutsche Justiz hat sich damit von allein, biologisch, erledigt.
Klaus Endruweit trat im Dezember 1940 seinen Dienst in der Heil- und Pflegestätte Sonnenstein in Pirna an. Seit April d.J. war dieses Heim im Rahmen des Euthanasie-Mordprogramms zur Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ zu einer der großen Vernichtungsstätten umfunktioniert worden. Als im August 1941 die erste Phase des Mordprogramms beendet wurde, waren in Sonnenstein bereits 13 720 Menschen „desinfiziert“- so die Formulierung in einem Bericht der mit der Vernichtung der Kranken betrauten Organisatoren der „Aktion T 4“ Endruweit war als Dr Bader daran aktiv beteiligt.
1967, als das Landgericht Frankfurt/Main gegen mehrere Euthanasie-Ärzte verhandelte, wurde Endruweit der Beihilfe zum Mord von mindestens 2 250 Geisteskranken überführt. Bis zum Prozeß hat er als praktischer Arzt unbehelligt wirken können. Und bald darauf konnte er dies wieder tun, denn das Gericht sprach ihn frei, auch die beiden anderen angeklagten Ärzte. Die Begründung: „Die Angeklagten haben jedoch nicht schuldhaft gehandelt. Es fehlte ihnen das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit.“ Zudem stellten die Richter fest, die Tötung der Kranken „durch Kohlenmonoxid verursachte auch keinerlei seelische Qualen bei den Opfern“ Der Tod in der Gaskammer sei sogar „eine der humansten Tötungsarten“
ßndruweit kehrte also als freier Mann in seine Arztpraxis zurück. Als ihm dann aber doch eines Tages der Entzug seiner Lizenz drohte, gingen eben die Organisationen auf die Barrikaden, die ihm dieser Tage als „verehrten Kollegen“ zur letzten Ruhe geleiteten. Und sie hatten Erfolg - wie Endruweit, der sich durch alle weiteren Prozesse winden konnte. Am 16. Oktober 1990 machte das Landgericht Hildesheim endgültig Schluß mit der „Verfolgung“ des Dr. Klaus Endruweit alias Dr. Bader. Die Gerichtskosten wurden der Staatskasse übertragen - wie auch die Kosten, die Endruweit im Verlaufe der Zeit entstanden waren. HANS GEORGE
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.