Natürlich hören sie den Applaus!

Schwimmerinnen von Aqua de Luna tauchen gern im Friedrichstadtpalast auf

  • Almut Schröter
  • Lesedauer: 4 Min.
20 Sekunden unter Wasser. Das kann ich auch, denkt sicher mancher. Aber wie sieht er aus, wenn er wieder an die Luft kommt? Ganz sicher nicht weithin sichtbar so strahlend schön wie die Synchronschwimmerinnen in den Revuen des Friedrichstadtpalastes. Treppab geht es durch die Gänge, wenn die Schwimmerinnen der Gruppe Aqua de Luna abends zu den Vorstellungen ins Revuetheater an der Friedrichstraße kommen. Das Wasserbecken liegt tief unter der Bühne, gleich daneben ihre Garderobe. 12 Meter Durchmesser misst das kleine Meer dieser Nixen. Die 160000 Liter Wasser, in denen sie sich fürs Publikum geschmeidig bewegen, werden bei etwa 30 Grad Celsius gehalten. Fest angestellt sind die elf jungen Frauen nicht im Friedrichstadtpalast. Aqua de Luna ist eine GbR »mit viel Demokratie«, wie sie sagen. Die Gruppe zeigt sich auch bei Schwimmhallenfesten, ist bei Filmaufnahmen gefragt. Im Wasser arbeiten sie nebenberuflich, studieren oder lernen ansonsten noch. Eng ist ihr Kontakt. Sie müssen sich bestens aufeinander verlassen können. Jeweils vier schwimmen in der aktuellen »Revue Palast - die Palastrevue zum Zwanzigsten«. Am Abend unseres Gesprächs in der Garderobe sind es Yvonne Neumann, Katharina Konarski, Karen Doberstein und Yvonne Klehr. »Die Grundschwimmarten muss man sehr gut beherrschen, darf keine Angst vorm Tauchen haben, muss sich unter Wasser gut orientieren und auf andere reagieren können«, erklärt Yvonne Neumann. »Wir sehen und wir hören uns, hören die Musik. Wenn nötig, geben wir uns auch Zeichen.« Sie war schon in Hamburg Synchronschwimmerin mit sportlichen Reglements, während sich beispielsweise Katharina Konarski als Quereinsteigerin charakterisiert. Aber auch sie ist schon lange dabei. Natürlich können es die Synchronschwimmerinnen auch länger unter Wasser aushalten. Eine Minute ist Standard - im Ruhezustand. Doch man muss bedenken, dass sie hier im Kostüm unterwegs sind und der Körper bei mehr Widerstand auch mehr Sauerstoff verbraucht. Zweimal pro Woche trainieren sie in der Schwimmhalle, dazu noch im Ballettsaal des Revuetheaters, damit Kondition und Choreografie immer stimmen. Kostüme mit viel Klimbim mögen die Frauen nicht. In der aktuellen Revue gehört ein Fächer zum Kostüm. Ihn zu beherrschen, sei schon schwierig. Am liebsten tragen die Schwimmerinnen eng Anliegendes, fast Unsichtbares. Die Kostümabteilung sieht sich auflösende »Wasserkleider« auch nicht gern jeden Tag vor sich. Eine Kollegin von dort kommt zur Absprache. Was kann man ändern, damit die Sachen länger halten? Was stört beim Schwimmen? Das Gespräch ist konstruktiv. Die Frauen werden sich schnell einig. Auch das Revueschwimmbecken mit bühnenbildnerischen »Hindernissen« besitzt seine Tücken. Man muss nicht nur mit dem Chlor leben können, auch mit extrem hellem Licht. Und wenn sich mal eine der Scheinwerferabdeckungen löst, kann sie »sehr anhänglich« sein. So etwas muss dann geschickt überspielt werden. Unsichtbar für die Zuschauer im Saal. Das Publikum liebt das Wasserballett wie das Ballett. Bei der vorherigen Revue um Scheherazade waren sie zunächst nicht eingeplant. Mit Schätzen des Sultans geschmückt, hob sich das Becken auf die Bühne und still ruhte der See - bis die Zuschaueranfragen Wellen schlugen. Das Publikum wollte »seine« Schwimmerinnen sehen. Intendant Sascha Iljinskij zauderte nicht. Er weiß, wo der König sitzt - im Saal. Ob sie in der kommenden Revue »Hexen« auftauchen, wissen die Frauen noch nicht. Der Zauber beginnt ja erst im Herbst. Es ist Zeit für das Wasser abweisende Make-up und knallig geschminkte Lippen. Die Regie lädt zum Einstieg. Über eine Leiter klettern die Frauen ins Becken. 1,80 Meter hoch steht das Wasser. Ein Hubpodium schiebt sich unter das Tonnen schwere Becken und hebt es hoch zur Bühne. Unterwegs seien sie in den vielen Jahren einmal »hängen geblieben«, lachen die Frauen. Das sei fatal gewesen. Himmel! Sie sahen hoch zu den Sängern, die Sänger sahen runter zu ihnen... Sekunden dauerten ewig. Fünf Minuten erfreuen die Schwimmerinnen das Publikum, dann geht es wieder abwärts. Schade, denkt man, dass sie kaum mitbekommen, wie sehr sie wieder gefallen haben. Aber Irrtum. »Natürlich hören wir den Applaus!« Und jedes Mal freuen sich die Nixen sehr, verwandeln sich lächelnd in der Garderobe und sind schon wieder nach Hause unterwegs, wenn das Publikum weiter die Revue genießt. Nur bei den Premieren und Galaabenden, da bleiben sie bis zum Finale. Revue Palast, Friedrichstadtpalast, Friedrichstraße 107, Mitte, Karten (ab 15 Euro) unter Tel.: 23262326, im Internet: www.friedrichstadtpalast.de

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.