Gute Gründe
USA im Streit der Linken
Seit einigen Jahren hat die zersplitterte Linke in Deutschland ein neues Reizthema, an dem sie sich hoffnungslos zerstritten hat: Wie hält sie es mit den USA?
Wie tief die Kluft ist, wird deutlich, wenn man sich zwei Bücher zur Hand nimmt, die in den letzten Monaten in linken Verlagen erschienen sind und die extremsten Facetten der linksdeutschen Haltung zur USA beleuchten.
Da gibt es die bekennenden Antiamerikaner, für die der junge Welt-Kommentator Werner Pirker und der Aktivist der Antiimperialistischen Koordination aus Wien, Wilhelm Langthaler, gleich zwölf Argumente aufgeschrieben haben. Dabei haben sie in durchaus witzig-lockeren Erzählstil fast alles aufgezählt, was jeder Michael-Moore-Kenner schon bissiger in »Bowling for Columbine« gesehen haben dürfte. Die USA vergiften die Umwelt, vollstrecken die Todesstrafe sogar an Minderjährigen, haben eine lukrative Gefängnisindustrie aufgebaut, hebeln die Bürgerrechte aus, und der New Yorker Law and Order-Politiker Rudi Guilani wird nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zum Volkshelden. Warum das allerdings nicht gute Gründe für den Antikapitalismus, sondern speziell für einen Antiamerikanismus sein sollen, beantwortet das Autorenduo nicht. Es hat auf jede materialistische Analyse verzichtet.
Während Pirker und Langthaler auf linken Antiamerikanismus setzen und dabei den Antikapitalismus zumindest in den Hintergrund treten lassen, verfällt ein anderes Segment der deutschen Linken genau in den umgekehrten Fehler. Für die verkürzt als antideutsch bezeichnete Strömung wird mittlerweile fast jede Kritik an den USA als »Aufstand der Alten Welt«, ja, gar als ein »Angriff auf Israel« interpretiert.
14 Autoren und Autorinnen, die diesem Spektrum zumindest nahe stehen, haben in einem im Freiburger Ca ira-Verlag erschienenen Buch ihre Thesen vorgestellt. Man merkt, dass die Autoren ihren Marx und oft ihren Lenin sehr wohl gelesen haben. So beschreibt Thomas Uwer mit einer materialistischen Analysemethode, dass für die Unterentwicklung des Nahen Ostens nicht primär die sich einmischenden USA, sondern die lokalen Despotien verantwortlich sind. Beiträge aus dem Umfeld der Neokonservativen aus den USA, von denen einige in ihrer Studentenzeit linke Aktivisten waren, geben einen guten Überblick in deren Argumentationslinien. Die Befürchtung ist nicht grundlos, dass einige der (anti)deutschen Autoren sich an ihnen ein Beispiel nehmen könnten. Schließlich fungierten die beiden Mitherausgeber Uwer und von der Osten-Sacken auch als Mitverfasser eines Memorandums, in dem die Chancen einer deutschen Politik beschworen werden, die sich in der Irakfrage im Einklang mit den USA und Großbritannien bewegt. In einer CDU/CSU-geführten Regierung könnten s...
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