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Greift Bush nun auch CIA und Stasi an?

Wenn »Zauberlehrling« bin Laden auspacken würde, müssten viele seiner Lehrmeister einpacken

Einen Tag, bevor die entführten Flugzeuge auf New York und Washington gelenkt wurden, lag den US-Kongressabgeordneten ein Bericht über Terroraktivisten im Nahen Osten und dessen staatliche Förderer vor. Ein Sponsor fehlte mit Sicherheit - die CIA.

Auf der Seite 3 des Berichtes findet sich eine Tabelle von 19 Organisationen, die aus US-Sicht nicht gerade gesetzestreu zu nennen sind. Die einzige, deren Aktivität als extrem gefährlich eingeschätzt wird, heißt Al-Qaida - bin Ladens Netzwerk. Auf den Kopf des Chefs hat Bush fünf Millionen Dollar ausgesetzt. Der Steckbrief lautet: Tot oder lebendig... Reine Rhetorik! Lebend wäre bin Laden eine zu große Gefahr für einstige Auftraggeber. Dazu gehören US-amerikanische Dienste. Erstmals trat bin Laden 1979 politisch in Erscheinung, als er unmittelbar nach dem sowjetischen Einmarsch Freiwillige zur Befreiung Afghanistans rekrutierte. Sie kämpften für die fundamentalistischen Taleban und mieden jeden Kontakt zum etwas weltlicheren - und vor wenigen Tagen von einem als TV-Team getarnten Mordkommando umgebrachten - Ahmed Shah Massud. Ausgebildet wurden die Laden-Kämpfer aus Ägypten, Algerien, Indonesien, von den Philippinen, aus Indien, Libanon, Palästina, Libyen und Sudan unter anderem von US-Militärs. Insgesamt soll die CIA für den antikommunistischen Kampf drei Milliarden Dollar Soforthilfe spendiert haben. Sie stellten auch einen Leibwächter, der den Verbündeten Osama bin Laden auf all seinen Reisen vor KGB- und GRU-Begierde abschirmte. Es hing also wahrlich nicht alles an den 350 Millionen Dollar Privatvermögen des saudischen Unternehmers. Auf Geheiß der CIA kaufte der zunächst in Ägypten Waffen. Modell Kalaschnikow, denn die Mudschaheddin wollten sich den Munitionsnachschub direkt von sowjetischen Nachschubkolonnen »abholen«. CIA-Abgesandte in Pakistan und Afghanistan waren gehalten, die Übergabe der Waffen per Video zu dokumentieren - quasi als eine Art Nachweisführung. Doch das Material aus Ägypten war minderwertig, die CIA verwies Laden an den pakistanischen Geheimdienst ISI. Der hatte - ob Pakistans Nuklear-Ambitionen - beste Kontakte nach Peking. Als jüngst ein chinesischer Überläufer CIA-Vernehmern über entsprechende Treffs berichtete, werden die nur müde gelächelt haben. In dieser Woche flog eine pakistanische Abordnung mit der Sondergenehmigung der UNO nach Kandahar, um im US-Interesse mit den Taleban einen Ausweg aus der Situation zu finden. Einer der »Sucher« war - wie praktisch - Geheimdienstchef General Mahmood Ahmed. Nach dem Abzug der Sowjettruppen schaltete die CIA ihren ehrenamtlichen Mitarbeiter bin Laden ab. Unter anderem, weil dessen Motive zwar antisowjetisch, doch keineswegs pro-westlich waren. Inwieweit Laden noch am Rückkauf von Stinger-Raketen beteiligt war, ist unklar. Immerhin zahlte die CIA aus ureigensten Sicherheitserwägungen für die von ihr zur Verfügung gestellten Anti-Flugzeug-Waffen zwei Millionen Dollar. Wenn man das nicht als eine Art Beihilfe für terroristische Unternehmungen bezeichnen kann! Auch andere Staaten beschränkten sich aus Angst, selbst zur Zielscheibe fundamentalistischer Angriffe zu werden, auf verbale Anti-Terror-Aktionen. Nun, da die öffentliche Meinung und die US-Administration aktives Vorgehen gegen die Laden-Connection fordern und die Medien eigene Recherchen anstrengen, kommt so einiges ans Tageslicht. Die britische Regierung bestätigte, man habe bei der Barclays Bank im Londoner Stadtteil Notting Hill ein bin Laden nahes Konto geschlossen. Zugleich zeigte man mit dem Finger auf die Schweiz. Dort entdeckten Ermittler »plötzlich«, dass einige der mutmaßlichen Flugzeug-Terroristen nicht nur Schweizer Messer gekauft hatten. Man stellte parallel zu UCK-Logistik- und Finanzstrecken auch solche fest, die direkt der bin-Laden-Organisation zuzuordnen sind. Doch wird betont: Zürich ist keine Drehscheibe des Terrorismus. Der französische Finanzminister Laurent Fabius unterstützt nunmehr sehr kräftig die Geldwäsche-Nachforschungen der »Financial Action Task Force«. Die in Paris ansässige FATF, die wiederum vor allem auf Luxemburger Banken zeigt, wurde vor gut zehn Jahren auf Initiative der G7-Länder gegründet. Österreich fand ein Konto, das einem Laden-Mann zugeordnet wird, der damit in der Slowakei angeblich Traktoren gekauft hat. Zugleich werden Szenerien beschrieben, wie die Laden-Organisation in der Tschechischen Republik Milzbrand-Bakterienstämme für eine biologische Kriegsführung gekauft haben soll. Auch Frankfurt (Main), wo man am 26. Dezember 2000 sowie im Frühjahr insgesamt fünf mutmaßliche Laden-Terroristen festnahm, kommt als Geldwäsche- und Rückzugsgebiet ins Gerede. Das Bundeskriminalamt schweigt dazu, der Generalbundesanwalt will im Herbst Anklage erheben. Gestern wurde gemeldet, Kabul habe den Schwiegervater des Taleban-Chefs Mullah Omar - denn auch das ist Omar bin Laden - aufgefordert, nicht länger vom afghanischen Gastrecht Gebrauch zu machen. Wohin der derzeit meistgesuchte Mann gehen könnte, ist unklar. Auf keinen Fall nach Libyen, denn dessen Staatschef Gaddafi, der insbesondere seit den Geiselbefreiungen von Holo wieder zu den brauchbaren Verbündeten der »freien Welt« zählt, hat bin Laden ebenfalls zur Fahndung ausgeschrieben. Er bringt den Saudi in Verbindung mit dem Mord an einem deutschen Verfassungsschützer und dessen Frau. Sie waren 1994 in Libyen umgebracht werden. Die »Bild«-Zeitung machte gestern den Horror perfekt. Sie berief sich auf ein Buch eines französischen Journalisten namens Roland Jacquard: »Es scheint tatsächlich, dass zwei frühere Experten der ostdeutschen Stasi kürzlich acht Monate in einem Camp in Afghanistan verbrachten, um Rekruten mit der Handhabung chemischer und bakteriologischer Einzelwaffen vertraut zu machen.« Wem das zu dumm ist, der traut derartige Verbrechen möglicherweise ebenfalls erwähnten arbeitslosen »Speznaz«-Kämpfern der Sowjetarmee zu... Gerüchte haben Konjunktur, jedes unterstützt...

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