Härtetest für Galilei

NASA-Wissenschaftler überprüfen fundamentales Gesetz der Physik

Hängt die Geschwindigkeit eines fallenden Körpers von dessen Gewicht ab? Ja, sagte der griechische Philosoph Aristoteles und bekräftigte damit den Augenschein. Ein Apfel zum Beispiel fällt ohne Umschweife zu Boden, während ein Blatt langsam vom Baum herabtorkelt. Erst seit Galileo Galilei wissen wir, dass Körper, die ausschließlich der Schwerkraft unterliegen, gleich schnell fallen. Eine Legende hingegen ist, dass der berühmte Renaissance-Forscher sein Fallgesetz 1590 am schiefen Turm von Pisa unter Verwendung leichter und schwerer Kugeln öffentlich verifiziert hat. Denn die Uhren waren seinerzeit viel zu ungenau, um derart schnelle Bewegungen überhaupt messen zu können. Rund 400 Jahre später, am 2. August 1971, wiederholte der US-Astronaut David Scott das Galileische Experiment unter günstigeren Bedingungen. Allerdings nicht auf der Erde, sondern auf dem Mond während der Mission von Apollo 15. Weil der Erdtrabant keine Atmosphäre besitzt, erreichten ein Hammer und eine Falkenfeder, die Scott vor laufender Kamera aus gleicher Höhe fallen ließ, gleichzeitig den Boden. »Das beweist«, so sein Kommentar, »dass Herr Galilei mit seinen Annahmen Recht hatte.« Davon sind keineswegs alle Physiker überzeugt, von denen manche seit Jahren raffinierte Experimente ersinnen, um das Fallgesetz zu prüfen. Denn sie prüfen damit zugleich die wichtigste Voraussetzung der allgemeinen Relativitätstheorie, das so genannte Äquivalenzprinzip, demzufolge die träge und schwere Masse eines Körpers identisch sind. Basierten frühere Experimente vornehmlich auf dem Studium des freien Falls, soll nun die Bewegung des Mondes um die Erde den Physikern einen möglichen Unterschied zwischen träger und schwerer Masse enthüllen, der etwa nachweisbar wäre durch eine geringfügige Veränderung des Abstandes beider Himmelskörper. Der Grund: Erde und Mond würden in diesem Fall von der Sonne unterschiedlich stark beschleunigt. Die Tatsache, dass einige neue physikalische Theorien eine Verletzung des Äquivalenzprinzips nicht mehr prinzipiell ausschließen, hat Jim Williams und seine Kollegen vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA veranlasst, die Entfernung Erde-Mond mittels Laserstrahlen erneut zu vermessen. Sie benutzen dafür Spiegel, die von Apollo-Astronauten Ende der 60er Jahre auf dem Mond installiert wurden sowie ein neuartiges Teleskop in White Sands (USA), das sowohl Schwankungen der Erdatmosphäre als auch tektonische Bewegungen auszugleichen vermag. Selbst die genauesten Messungen des Mondabstandes sind derzeit mit einem Fehler von etwa 1,7 Zentimetern behaftet. Gleichwohl bestätigen sie die Gültigkeit des Äquivalenzprinzips auf 13 Stellen hinter dem Komma genau. Um diese extrem hohe Genauigkeit abermals um das Zehnfache zu steigern, müssen die NASA-Forscher den Abstand Erde-Mond fast auf den Millimeter exakt bestimmen. Noch ist der Ausgang des Experiments offen und damit ebenso die Frage, ob Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie korrigiert werden muss. Letzteres zumindest bezweifeln die meisten Physiker, da eine Verletzung des Äquivalenzprinzips, und sei diese noch so minimal, eine grundlegende Revision unserer Auffassung von Struktur und Entwicklung des Universums nach sich zöge. Dagegen spielt es wohl eher eine untergeordnete Rolle, dass bislang alle Versuche einer Vereinigung von Relativitäts- und Quantentheorie gescheitert sind, wie Williams beklagt. Denn das liegt vermutlich weniger an einem »Mangel« der Relativitätstheorie, als vielmehr daran, dass die Welt sic...

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