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  • ES WAR EINMAL ...

Ostern 1845

  • Lesedauer: 2 Min.

Die päpstliche Disziplinierung des liberalen Bischofs von Evreux, Gaillot, empörte jüngst die französischen Katholiken. Seit der Reformation haben immer wieder einige katholische Kleriker den Stachel wider ihnen unzeitgemäß erscheinende Normen gelockt. Auch in deutschen Landen. Da war z.B. der Kaplan Johannes Czerski (1813-1893) in Schneidemühl (preuß. Provinz Posen), der alle nichtbiblischen kurialen Regelungen (zu denen u.a. die Reliquienverehrung gehörte) strikt ablehnte, daraufhin im September 1844 mit seiner ganzen Gemeinde exkommuniziert wurde und dann eine eigene christlich-apostolisch-katholische Gemeinde begründete. Zum anderen gab es da auch den Kaplan Johannes Ronge (1813-1887) in Laurahütte (preuß. Provinz Schlesien). Schon 1842 war er wegen „ketzerischer“ Ansichten von seiner Kirche diszipliniert worden. Als 1844 der Trierer Bischof den „ungenähten heiligen Rock Christi“, den Jesus am Kreuz getragen haben sollte, ausstellte und damit innerhalb von sieben Wochen tatsächlich mehr als eine Million Gläubige anzog, verfaßte er ein „Offenes Sendschreiben an den Bischof Arnoldi von Trier“, in dem er dessen Aktion „ein den Aberglauben und Fanatismus beförderndes Götzenfest“ und den Bischof- in Anspielung an den 1517 agierenden berühmtberüchtigten Ablaßhändler den „Tetzel des 19 Jahrhunderts“ nannte. Auch Ronge traf die Exkommunikation.

Das öffentliche Echo auf Czerski und Ronge indes war so enorm, daß Ronge, davon beflügelt, die Abhaltung eines förmlichen Nationalkonzils anregte, aus dem eine nicht-kuriale deutsch-katholische Nationalkirche hervorgehen solle. Dieses nun fand symbolisch zu Ostern 1845 in Leipzig statt. Hier hatte sich bereits im Februar unter maßgeblichem Einfluß Robert Blums (1807-1848) eine deutsch-katholische Gemeinde gebildet. 15 Gemeinden aus ganz Deutschland schickten ihre Vertreter zum Nationalkonzil. Sie nahmen ein Glaubensbekenntnis an, in dem das Primat des Papstes, das Zölibat (Czerski hatte demonstrativ am Heiligabend 1844 geheiratet), die ,,Ohrenbeichte“ und alle „Werkheiligkeit“ (materieller Ersatz für seelische Buße) verworfen wurden. Die ebenfalls angenommene, wesentlich von Blum verfaßte Gemeindeverfassung fixierte, daß die Geistlichen und Ältesten demokratisch gewählt werden müssen und die gesamte Gemeinde Mitbestimmungsrecht habe.

Vor allem in der Deklarierung demokratischer Mitbestimmung lag der zeitweilig erhebliche Erfolg des Deutschkatholizismus (Ende 1845 zählte die Bewegung 173 Gemeinden, davon 118 in Preußen, 22 in Sachsen) begründet, unter dessen Dach sich bald auch politische Oppositionelle einfanden - was vom hohen Klerus und den Regierungsbehörden freilich registriert wurde. Der Klerus warnte, daß die Aushöhlung der kirchlichen nur am Beginn der Infragestellung jeglicher Autorität stehen werde. Und so wurden in Preußen und Sachsen die Deutschkatholiken arg schikaniert, in Bayern und Österreich gar verboten...

KURT WHPNICKF

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