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,Hier beginnt das verfluchte Deutschland*

Schüler aus Berlin und Seelow befragten Zeugen der Geschichte und drehten einen Film

  • Lesedauer: 2 Min.

Schüler der Brecht-Schulen aus Berlin-Spandau und Seelow begingen den Tag der Befreiung auf ihre Weise. Im Seelower Kulturhaus „Erich Weinert“ stellten sie am Montag ihren fast zweistündigen Film „Um vier Uhr plötzlich ging die Welt unter“ vor und eröffneten eine Fotoausstellung mit Porträts von Augenzeugen an den historischen Schauplätzen des Krieges. Zwölf Biographien hatten sie sich in den Monaten April und Mai 1993- j vor laufenden Kameras berichten lassen. Aus fünfzehn Stunden Bildmaterial stellten Mario Hanschmann, Björn Piefke und Robert Thalheim dann gemeinsam mit ihrem Lehrer Burkhard Semmler den Streifen zusammen. Es gibt keine

Schwenks, keinen Zoom, es werden keine dokumentarischen Originalsequenzen verwendet.

Seine Dramatik erhält der Streifen aus den unterschiedlichen Sichtweisen und Konsequenzen, die die zwischen 191,5 und 1930 geborenen Interviewpartner offenbarten. Unkommentiert kommen sie zu Wort: Der freiwillig zur Waffen-SS gegangene spätere Lehrer, der heute dankbar ist für die drei Jahre englischer Kriegsgefangenschaft, die zur Zeit der Besinnung wurden. Der in Moskau 1941 von der Schule an die Front gegangene Rotarmist und der von „Kraft durch Freude“ und neuen Arbeitsplätzen faszinierte spätere Wehrmachtssoldat. Oder der

aus Stabssicht den Kriegsverlauf kommentierende, immer noch an den „Präventivschlag“ gegen die Sowjetunion Glaubende. Und jene Frauen, die auf Flucht und Treck die Rache der Sieger erlebten, aber auch ihre Hilfe. Vertreibung, Gefangenschaft, Wiederaufbau. .

Es gibt erschütternde Sätze in diesen Erinnerungen. Wenn der Rotarmist sich an ein Schild zwischen Kietz und Küstrin erinnert: „Hier beginnt das verfluchte Deutschland“ Oder wenn eine Frau sich erinnert, wie ihre Mutter Spatzen fing, um sie zu kochen. „Uns war nur eines wichtig: Wir leben noch“, meint ein anderer.

Und während der eine sich durch den Krieg um seine Ju-

gend betrogen fühlt, stellt der andere fest: „Es war eben auch ein Erlebnis, selbstredend“. Daß Krieg kein Mittel der Politik sein darf, ist wohl die Schlußfolgerung der meisten, aber längst nicht aller Gesprächspartner geworden.

„Gegen jegliche Relativierung des Nationalsozialismus und des Holocaust“ soll der Film die Zuschauer wappnen helfen, hofft Robert Thalheim. Damit es „ein Tag der Befreiung auch noch ist, wenn ich selber schon Zeitzeuge bin“. Heftiger Beifall und ein nachdenkliches Publikum sprechen dafür, daß die Filmschöpfer ihr Ziel erreicht haben.

ERICH SCHECH

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