Sex-Affäre stoppt „Pfarrer Gnadenlos“
Sachsens Innenminister Eggert wegen des Vorwurfs sexueller Belästigung beurlaubt Aus Dresden berichtet MARCEL BRAUMANN
Der CDU-Politiker Heinz Eggert soll junge Männer, deren dienstlicher Vorgesetzter er ist, sexuell belästigt haben - detailliert erhobene Anschuldigungen aus dem engen Mitarbeiterkreis des sächsischen Innenministers werden seit über zwei Monaten von der Staatskanzlei geprüft. Das war den Betroffenen wohl zu lange, sie hinterlegten entsprechende eidesstattliche Erklärungen beim „Spiegel“ Nach der gestrigen Veröffentlichung ließ sich Eggert, der auch einer der Stellvertreter des CDU-Bundesvorsitzenden Helmut Kohl ist, von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf beurlauben.
Regierungssprecher Michael Sagurna konnte gestern vormittag „bestätigen, daß ein
Schaden unabhängig vom Ausgang des Verfahrens bleibt“. Die Sache sei „sehr kompliziert und sehr sensibel“ Im übrigen fällt es den Beobachtern in Dresden schwer zu glauben, daß sich Bedienstete eines Ministeriums leichtfertig zu übler Nachrede hinreißen lassen, die
Grenzübergangsstelle Seifhennersdorf beginnen. Die statt dessen angesagte Pressekonferenz in eigener Sache empfand der Minister als „kein sehr einfaches Thema“ Seit einem Jahr kursierten Gerüchte wegen seiner sexuellen Orientierung und angeblichen Übergriffen auf Mitarbeiter.
Die libidinösen Neigungen des Pfarrers interessierten bereits in der DDR die Staatssicherheit, die mutmaßliche Bisexualität zu belegen suchte. Doch der später von Eggert dem Rufmord preisgegebene „IM Manfred“, der damalige Chefarzt der Männerpsychiatrie Großschweidnitz, mochte den politischen Sinn derartiger Ausforschung seines Patienten nicht einsehen.
Was der evangelische Theologe, verheiratete Vater von vier Kindern und passionierte
Genießer der Dresdner Kneipenszene neben seinem Familienleben treibt, spielt auch heute keine Rolle. Aber wenn Mitarbeiter erklären, von ihm in seinem Amtszimmer, in der Dienstwohnung auf dem Gelände des Landeskriminalamts sowie auf Reisen sexuell belästigt worden zu sein, sind mögliche Dienstpflichtverletzungen das Thema. Daß sich alles auf die Intrige eines Ex-Mitarbeiters schieben läßt, wie das Eggert zeitweilig versuchte, erscheint fraglich.
SPD und PDS verlangten rasche Aufklärung der Sex-Affäre durch Biedenkopf. Der Regierungschef hat unterdessen den früheren Vizepräsidenten des Bundesarbeitsgerichts Dirk Neumann mit der Untersuchung beauftragt. Bis zu deren Abschluß will Biedenkopf zum Fall Eggert schweigen.
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