Insider aus Bushs Umgebung packt aus
Abrechnung mit dem »Antiterrorkrieg«
Ein neues Buch zum »Antiterrorkrieg« sorgt in den USA für Wirbel. Schließlich ist es die erste Abrechnung eines amtierenden Insiders mit der verfehlten USA-Politik.
»Imperial Hubris« (»Hybris eines Imperiums«) heißt das am Sonntag in den USA erschienene Buch, und auf den ersten Blick erscheint der mehr als 300 Seiten umfassende Band nur eines von Hunderten jener publizistischen Werke zu sein, die sich über Bushs Kreuzzug gegen den Terrorismus und das »Empire« auslassen. Und sowohl der Untertitel »Why the West is Losing the War on Terror« (»Warum der Westen den Krieg gegen den Terror verliert«) als auch der Name des Autors »Anonymus« rücken das Buch in die Umgebung der Verschwörungs- und Katastrophenliteratur. Doch das Werk hat es in sich: Erwiesenermaßen ist es der erste Bericht eines Beamten aus der Bush-Regierung, der heute noch seinen Dienst tut. Vom früheren Finanzminister Paul O'Neill bis zum ehemaligen »Antiterror«-Koordinator Richard Clarke schrieben bislang nur Regierungsangestellte, die bereits ihres Amtes enthoben worden waren oder anderweitig ausschieden. »Anonymous« dagegen - laut Nachforschungen des »Boston Phoenix« soll er Michael Scheuer heißen - ist ein seit 22 Jahren in der CIA tätiger Geheimdienstler, der von 1996 bis 1999 die Aufklärungsarbeit zu Osama bin Laden unter dem Codenamen »Alec« geleitet haben soll. Schon vor zwei Jahren hatte er ein Buch mit dem Titel »Through Our Enemies Eyes: Osama bin Laden, Radical Islam, and the Future of America« (»Durch die Augen unserer Feinde: Osama bin Laden, radikaler Islam und die Zukunft Amerikas«) veröffentlicht. In diesem Buch sowie in seinem jüngsten behauptet der Autor, der fundamentalistische Islam, darunter auch Al Qaida, sei militärisch und politisch sehr viel besser organisiert und motiviert, als die Bush-Regierung es zugebe. Die USA-Invasionen in Afghanistan und in Irak - letztere ist laut »Anonymous« ein »gieriger, vorsätzlich geplanter, unprovozierter Krieg« - seien kläglich gescheitert und hätten dem islamischen Fundamentalismus nur noch mehr Anhänger zugeführt. Sowohl Bush als auch sein Vorgänger Clinton hätten es versäumt, »das Offensichtliche zu akzeptieren«, nämlich dass die USA und der Westen nicht Terroristen oder Kriminellen gegenüberstünden, sondern »einem weltweiten islamischen Aufstand«. Osama bin Laden schwimme in Afghanistan und Pakistan wie ein Fisch im Wasser - und plane wahrscheinlich einen Angriff auf die USA mit Massenvernichtungswaffen. Provozierend prophezeit »Anonymous«, ein verheerender Anschlag auf die USA während des Präsidentschaftswahlkampfs werde bezwecken, die Bush-Regierung weiter an der Macht zu halten. Man werde zu dem Schluss kommen, dass »das Töten von Massen von Menschen nicht ausreicht, unsere islamischen Feinde zu besiegen«. Die USA müssten weitermachen, »bis wir die Islamisten ausgelöscht haben, die uns bedrohen«. George Bushs Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice sagte unlängst, sie könne nichts über den Inhalt des Buches sagen, da ihr der Verfasser nicht bekannt sei. Im »Boston Phoenix« und in der »New York Times« hieß es dagegen, dass »Imperial Hubris« in den Buchläden der Wohngebiete von CIA- und anderen Regierungsangehörigen längst vorbestellt wurde und ausverkauft ist. Die Eliten wissen offenbar, wer der Autor ist. Der allerdings muss sich fragen lassen, weshalb er erst jetzt auspackt. Denn wäre er moralisc...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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