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Sportmediziner trainiert den Reifenwechsel
Die Krankenkasse AOK betreibt Gesundheitsvorsorge in einer Autowerkstatt in Kleinmachnow
Langsam senkt die Hebebühne den Opel Astra ungefähr auf Schulterhöhe. Mit einem Akku-Schrauber löst Mechaniker Karsten Graßmann die Muttern am rechten Hinterreifen. Hinter ihm steht Sportmediziner Walter Scholz und gibt Tipps wie »näher herantreten«, »Beine einknicken« und »Körpergewicht einsetzen«.
Scholz arbeitet für die Allgemeinen Orts-Krankenkasse (AOK). Seit acht Jahren macht die Krankenkasse Bewegungsanalysen in Brandenburger Betrieben. Experten der AOK schauten in mehr als 40 Unternehmen nach, ob die Tätigkeit dort der Gesundheit der Mitarbeiter schadet. Nach Auswertung der Beobachtungen, die zum Teil mit Videokameras gefilmt wurden, machte die AOK Vorschläge, wie die Arbeitsbedingungen zu verbessern sind.
Jetzt war die Pkw-Center GmbH in Kleinmachnow dran. Gestern demonstrierte die AOK auf dem Firmengelände in der Karl-Marx-Straße 134, wie eine solche Bewegungsanalyse abläuft. Das Pkw-Center ist ein Opel-Vertragshändler mit angeschlossener Werkstatt und entstand im Mai 1990 aus dem ehemaligen VEB Kfz-Instandsetzungswerk »Max Reimann« heraus. Die GmbH bildet 14 junge Leute aus und beschäftigt insgesamt 49 Mitarbeiter. Es ist das erste Unternehmen der märkischen Kfz-Branche, das sich von der AOK helfen lässt.
Trotz moderner Technik ist in der Werkstatt noch immer Muskelkraft gefragt. Schädlich sind so genannte Zwangshaltungen, wenn sich die Mechaniker zum Beispiel tief herunterbeugen oder in der Hocke schrauben, erläutert die Diplom-Sportlehrerin und AOK-Trainingstherapeutin Bettina Schubert. Gesünder sei es, wie beim Paddeln im Kanadier auf einem Bein zu knien. Dadurch werde die Belastung der Lendenwirbel gemildert.
In einem 17-seitigen Prüfbericht gibt die AOK den Beschäftigten noch viele andere Tipps. So sollten zwei Männer mit annähernd gleicher Körpergröße zupacken, wenn ein 40 Kilogramm schweres Getriebe auszuwechseln ist. Allerdings seien im Kfz-Gewerbe viele Zwangshaltungen einfach nicht zu vermeiden, gesteht Sportmediziner Scholz. Deshalb rate er zu Ausgleichsübungen in den Pausen.
Der Geschäftsführer des Pkw-Centers, Roland Kaiser, zeigt sich für die zahlreichen Hinweise aufgeschlossen. Kissen für das Knien in Kanadierposition sind schon aufgetrieben worden. Erwogen wird, eine Hebebühne zu versetzen, damit der Mechaniker dahinter ausreichend Bewegungsfreiheit bekommt.
Wenn die Mitarbeiter sich zufriedener und gesünder fühlen, steige die Produktivität, wirbt der Vize-Vorstandsvorsitzende der AOK Brandenburg, Franz Josef Lünne, für die Bewegungsanalyse. Die Krankenkasse bietet prinzipiell allen Unternehmen an, die Arbeitsplätze unter die Lupe zu nehmen. Bevorzugt werden allerdings die Betriebe behandelt, in denen Versicherte der AOK tätig sind.
Wenn AOK-Mitglieder sich verletzen, fehlen sie im Beruf im Schnitt 13,6 Tage. Wenn die Versicherten an Muskeln, Skelett oder Bindegewebe erkranken, fallen sie 26,5 Tage aus. Nach Ansicht der AOK lohnt sich deshalb die Vorbeuge.
Es steht aber fest, dass der Krankenstand in Deutschland nicht etwa wegen Vorsorgemaßnahmen zuletzt so stark sank. Dafür verantwortlich ist die »Angst um den Arbeitsplatz«, räumt Lünne ein. Das Wissenschaftliche Institut der AOK befragte Mitglieder der Kasse. Dabei gaben 91 Prozent der Leute an, dass sie auch dann versuchen, zum Dienst zu erscheinen, wenn sie sich nicht gut fühlen. 30 Prozent gingen im Jahr...
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