Das Nobelrestaurant ist wieder flott
Am Sonnabend ist Wiedereröffnung des traditionsreichen Ermelerhauses an der Spree
Zu DDR-Zeiten teuer, jetzt noch teurer - der Saal blieb gleich
Foto: Robert Grahn
Schick essen gehen - in Berlin (Hauptstadt der DDR) hatte das einen Namen: Ermelerhaus. Das Restaurant am Ufer der Spree in Mitte unterschied sich zwar in Küche und Service unwesentlich von den sonstigen Errungenschaften der real-sozialistischen Gastronomie. Aber dafür gab es wenigstens Rokoko gratis. Mit der Wende kam das Ende für die Gastwirtschaft. Jahrelanger Leerstand im besitzerlosen Zustand nagte an den Gemäuern, das Gebäude war arg heruntergekommen. Am Sonnabend gehen nach anderthalbjährigen Sanierungsarbeiten die Türen wieder auf.
Dirk Gädeke, der neue Eigentümer, verspricht „eine Gastronomie, die dem Haus und den Gästen gerecht wird“. Ein Spagat, aber er könnte gelingen, denn Gädeke schielt nicht nur auf die - geschrumpften -Spesenetats der Wirtschaft.
Gädeke kommt aus der Branche; er betreibt mehrere „Art'otels“, Herbergen „mit Viersterneausstattung und Dreisternepreis“, und jeweils mit einer Innenausstattung, die einen bekannten Künstler repräsentiert. Auch hier will er auf diese Art seinen Einsatz - die Sanierung kostete acht Millionen - wieder erwirtschaften.
Zum Grundstück gehören außerdem die beiden links anschließenden barocken Nebenhäuser, die renoviert werden, aber in ihrer ursprünglichen Nutzung erhalten bleiben. Aber auf der Rückseite, zur Wallstraße hin, klafft eine Baulücke, in der das Art'otel stehen soll. Für die Parzelle verlangte die Treuhand-Liegenschaftsanstalt noch einmal acht Millionen Mark, verbunden mit Investitions- und Arbeitsplatzgarantien.
Ein prachtvolles Haus mit wechselvoller Geschichte und einzigartiger Bedeutung. Es ist das einzige in Berlin erhaltene Denkmal der bürgerlichen Wohnkultur des Rokoko. Eine Hermesfigur zeigt stolz einen Geldsack vor, ein Relief erzählt von Tabakernten, Wiegen und Verschiffen: Das Barockpalais gehörte seit 1824 dem Tabakhändler Wilhelm Ermeler, der es mit seinen Mittwochsalons zu einem kulturellen Treffpunkt machte. Später kam es in den Besitz der Stadt, war Museum und Archiv, wurde in den 50er Jahren restauriert.
Aber kaum fertiggestellt, mußte das Haus - damals stand es in der Breiten Straße 11, gegenüber vom Marstall etwa 500 Meter vom jetzigen Standort entfernt - der
Straßenverbreiterung weichen. 1969 fand es am Märkischen Ufer seine neue Bleibe.
Die restaurierten Stuckornamente, vor allem aber die wunderschöne Deckenmalerei, verleihen den Räumen in der Beletage festlichen Glanz wie vor 230 Jahren. An der Innenarchitektur von Johanne Nalbach gefällt, daß sie bewußt die Gegenüberstellung von Altem und Neuem sucht. Mit kühlen und klaren, aber nicht geschmäcklichen Formen bringt sie die geschwungene Rokokoornamentik eindrucksvoll zur Geltung. Einen weiteren Kontrapunkt setzt die wertvolle und sogar gut gehängte Kunstkollektion. Die Arbeiten von Penck, r Christo und Vostell stammen aus der Sammlung Gädeke.
Das muß sich rechnen. Aber auch für eingessene Berliner dürfte schick essen (siehe oben) im Ermelerhaus noch bezahlbar sein. Küchenchef Martin Geiger bietet im Restaurant in der Beletage eine „gehobene deutsche Küche mit Produkten aus der Region“ Die Hauptgerichte kosten zwischen 27 und 39 Mark, einen offenen Riesling gibt es schon für 3,50 Mark. Die „Raabediele“ im Keller - wo auch eine Nachtbar öffnet - bietet Deftiges. Und im Cafe, zu dem auch ein umfunktionierter Lastkahn gehört, läßt Betreiber Klaus Suhl die Salonkultur wieder aufleben. Ab September veranstaltet er Lesungen, Theater und Musik.
ANDREAS QUAPPE
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