Der Finanzsenator gab sich spendabel
HELLERSDORF: Freie Träger wollten Konzepte der Jugendförderung diskutieren
Jeder dritte Hellersdorfer ist jünger als 25 Jahre. Nach den Planungsrichtlinien des Senats würden für die 42 000 Kinder und Jugendlichen 7180 Plätze für die Jugendarbeit benötigt. Von diesem statistischen Idealzustand ist man im kinderreichsten Bezirk noch weit entfernt. Laut Jugendamtsdirektor Karl-Heinz Struzyna liegt der Versorgungsgrad bei 28 Prozent - 1000 Plätze in öffentlichen Einrichtungen und 1000 bei freien Trägern.
Letztere haben sich zu einem Arbeitskreis zusammengeschlossen und wollten im Vorfeld der Wahlen von Vertretern der Parteien, des Senats und des Bezirksamtes wissen, welche Konzepte es für die künftige Jugendarbeit gibt. Zu hören allerdings bekamen sie auf ihrem Forum „Jugend am Rande?“ vor allem eins - es ist kein Geld da.
Dies wollte Heidrun Römer vom Jugendwerk Aufbau Ost so pauschal nicht gelten lassen. „Solange es möglich ist, für eine halbe Million Mark ein Bild zu kaufen, ist die Antwort, wir haben kein Geld, eine Beleidigung für jeden Bürger, der sich für soziale Belange engagiert“, meinte sie mit Blick auf den Erwerb des Christo-Büdes durch Bausenator Nagel.
Wenn durch den Bezirk streifende und die Leute terrorisierende Jugendbanden bislang nur die Horrorvision bestimmter Medien blieb, so sei das zu einem großen Teil auch dem engagierten Wirken der freien Träger zu danken. Die über 50 Projekte mit ihren 340 Stellen würden jedoch zu 97 Prozent über Arbeitsfördermaßnahmen finanziert. So sei eine längerfristig planbare und qualifizierte Arbeit mit Jugendlichen schlecht möglich.
Der Arbeitskreis freie Träger fordere daher für mindestens ein Drittel der Stellen die Übernahme in die Regelfinanzierung. -Das frustrierende Hüpfen von einem Fördertopf zum nächsten müsse aufhören.
Wenig Hoffnung vermochte da jedoch Staatssekretär Klaus Lohe aus der Senatsverwaltung für Jugend und Familie zu verbreiten. 60 Millionen Mark sind dort für nächstes Jahr schon ausgeschüttet - real aber noch gar nicht vorhanden.
Und da betrat der Finanzsenator Pieroth den Saal, trat ans Mikrofon und verkündete, er habe in seiner Verwaltung durchgesetzt, daß der Bezirk nicht ausgegebene Personalmittel in Höhe von 2,5 Millionen Mark an die freien Träger verteilen könne, die sie je nach Bedarf und auch noch im näch-
sten Jahr verwenden dürften. Dann entschuldigte sich Pieroth wegen eines anderen Termins in Buch und ließ eine reichlich verwirrt dreinschauende Menge zurück. Jugendstadtrat Roland Kreins zum Beispiel wunderte sich nicht wenig sich über die Ankündigung, da es ihm bislang nicht einmal gelungen war, die Genehmigung der Finanzverwaltung dafür zu erhalten, aus dem eigenen Ressort Gelder an die freien Träger umzulenken.
Mit den angemahnten Konzepten übrigens konnte an dem Abend niemand so recht dienen. Nach über zwei Stunden blieb Wolfgang Drahs vom PAD e.V namens der freien Träger nur zu konstatieren, daß das Problem bei der Politik erkannt scheint. Das war's auch schon. „Jugend am Rande?“ - es sieht ganz so aus.
KLAUS KIMMEL
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