Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

Bürger von Großziethen sehen in Straßensperrungen eine neue Mauer

Weil Berliner Anwohner keinen Autoverkehr wünschen, sollen Brandenburger Umwege fahren / Keine Kommunikation mit dem Nachbarn Neukölln

  • Lesedauer: 3 Min.

„30 Jahre lang habe ich mit der Mauer im Rücken gewohnt, und jetzt, wo sie eigentlich weg ist, wird uns schon wieder der Weg versperrt“, empört sich Hildegard Knoll aus Großziethen. Froh war die Rentnerin, als sie nach der Wende die unbefestigte Straße nun auch in die andere Richtung, ins benachbarte Berliner Alt-Buckow an der südlichen Stadtgrenze, benutzen konnte. Doch plötzlich war der Weg mit einer rotweißen Straßensperrung blokkiert.

„Nicht einmal die Anwohner wurden darüber informiert. Manche fuhren morgens zur Arbeit und standen abends auf dem Rückweg fassungslos vor der Absperrung“, ist der Großziethener Bürgermeister Hans-Georg Springer ebenso verärgert. Insgesamt wurden sechs Straßen und Wege zwischen Großziethen und dem Berliner Bezirk Neukölln gesperrt, und die Anwohner mußten Umwege in Kauf nehmen.

Den eigentlichen Ursprung für diese Aktion kann selbst Bürgermeister Springer nicht ausfindig machen. Fakt ist nur, daß sich schon seit längerem Berliner Bürger über die Verschmutzung ihrer Straßen und den Verkehrslärm beschwerten. Daraufhin errichtete das Amt Schönefeld in Absprache mit der Kreisbehörde die Straßensperren. „Die Gemeinde wurde darüber lediglich in Kenntnis gesetzt - und das ist der eigentliche Skandal“, erbost sich Springer und fordert für diese Eigenmächtigkeit personelle Konsequenzen. „Wenn Berlin nicht das Gespräch gesucht hat, ist das traurig; aber daß uns die eigene Kreisbehörde und das eigene Amt ignorieren, ist besonders bitter.“

Mittlerweile hat der Neuköllner Baustadtrat Bodo Manegold mit einer Ausnahme alle Sperren wieder aufgehoben. „Doch statt der von uns empfohlenen Jahnstraße bleibt

jetzt ausgerechnet die Schillerstraße zu, obwohl dies der beste unbefestigte Weg ist“, kritisiert Bürgermeister Springer die persönliche Entscheidung des Neuköllner Stadtrates. „Warum spricht denn mit uns keiner?“, fragt Springer. „Das ist leider kein Einzelfall. Vor allem in Verkehrsfragen gibt es zwischen uns und Berlin keinerlei Kommunikation.“ Allerdings wehrt sich Bürgermeister Springer gegen die Auffassung etlicher Bürger, daß hier eine neue Mauer aufgebaut werden soll. „Das ist totaler Quatsch.“

Unsicherheit herrscht auch bei der Berliner Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe. Dort wird in der aktuellen Statistik über die Straßen im ehemaligen Grenzgebiet nach dem Stand vom Oktober 1995 die derzeit gesperrte Schillerstraße als geöffnet geführt. In Wahrheit aber teilt sie derzeit ihr Schicksal mit vier weiteren

Berlin-Brandenburg-Straßen, die ebenfalls aus Gründen der Verkehrsberuhigung oder nach Bürgerprotesten gesperrt sind.

Ein Ende im Straßen-Streit ist allerdings noch nicht in Sicht, denn jetzt hat sich auch Berlins Polizeipräsident Hagen Saberschinsky eingeschaltet. Neuköllns Stadtrat Manegold hat ein Schreiben auf seinem Tisch, wonach der Polizeipräsident die Öffnung aller Wege veranlaßt. „Dem werde ich mich widersetzen“, erklärt Bodo Manegold. „Wieder so eine Entscheidung am grünen Tisch. Der soll sich die Sache zunächst vor Ort anschauen, schließlich habe ich das im Einvernehmen mit den Anwohnern geklärt.“ Dieses Einvernehmen bezweifelt der Großziethener Bürgermeister Springer: „Die Mehrheit der Leute ist auch für die Öffnung der Schillerstraße.“

DIETMAR BENDER, dpa

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.