Dönitz
Im Laute seiner Karriere wuchsen ihm viele Beinamen und Titel zu: BdU (Befehlshaber der U-Boote), Großadmiral und schließlich „Reichspräsident“ in der Nachfolge Adolf Hitlers. Für die NS-Propaganda war er der Chef der „grauen Wölfe“, wie die zehntausendfach in ihren Stahlsärgen zu Tode gekommenen U-Bootbesatzungen genannt wurden. Vielen älteren Marineoffizieren galt er in den späteren Kriegsjahren aufgrund seiner fanatischen Durchhaltebefehle nur noch als „Hitlerjunge Dönitz“ Die britische Admiralität sah ihn als Kommandeur der deutschen Unterwasserflotte, die Großbritanniens Versorgung abzuwürgen drohte, als des „Teufels Admiral“ an.
Seine soziale Prägung hatte der am 16. September 1891 in Berlin-Grünau geborene Karl Dönitz im wilhelminischen Kaiserreich erfahren. Sie war durch zwei Grundüberzeugungen bestimmt: der militärischen und wirtschaftlichen Konkurrenz zu England, das Deutschland den Platz an der Sonne neidete, und der in der Familie Dönitz seit Jahrhunderten tief verwurzelten Überzeugung von' der slawischen Gefahr aus dem Osten. Den I. Weltkrieg erlebte er von 1916 bis 1918 aus der Perspektive eines U-Boot-Offiziers. Den U-Boot-Krieg führte er mit einer derartigen Rücksichtslosigkeit, daß die italienische Regierung nach 1918 seine Bestrafung als Kriegsverbrecher forderte. Ein Trauma für Dönitz blieben die deutsche Niederlage und die „Revolte“ in der Marine. Zeitweise schwankend, ob er sich der von ihm verabscheuten Republik zur Verfügung stellen sollte, machte er als innenpolitischer Sachbearbeiter der Marineleitung Karriere.
Mit der Ernennung zum „Führer der U-Boote“ am 1. Januar 1936 schlug Dörütz.dßn, Weg ein, der ihn an die Spitze der Kriegsmarine und schließlich des „Dritten Reiches“ spülte. Ihn zeichneten durch keinerlei Hemmungen gezügelte Kriegführung, brutale Aufopferung seiner Verbände und sklavische Ergebenheit gegenüber jedem Hitlerbefehl aus. Er wollte lieber „Erde fressen“, als daß seine Enkel in „jüdischem Geist und Schmutz“ erzogen würden, erklärte er 1944, genauso wie ihm die Männer des 20. Juli 1944 nur „Schurken“ waren. Dönitz wuchs auf diese Weise in die Rolle eines der engsten Beraters Hitlers seit 1943 hinein. Am 1. Mai 1945 zum Nachfolger Hitlers ernannt, residierte Dönitz' Schattenregierung bis zu ihrer Verhaftung am 23. Mai 1945 in Flensburg.
Als einer der 24 Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg vor Gericht gestellt, spielte Dönitz die Rolle des schlichten, alten Seebären, der von nichts gewußt und von nichts geahnt hatte. Die britischen und sowjetischen Richter forderten sein Todesurteil, das Gericht entschied auf zehn Jahre Haft, ein Urteil, das Dönitz niemals als gerecht anerkannte. Bis zu seinem Tode am 24. Dezember 1980 betrachtete er sich als „legales Staatsoberhaupt“.
OLAF GHOFH1.ER
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