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»Darum möchte ich Ministerpräsident werden«
Der CDU-Landeschef und Innenminister Jörg Schönbohm über die Landtagswahl am 19. September, Hartz IV und die PDS
Ich bin Brandenburger mit Leib und Seele. Das Innenministerium habe ich übernommen, weil es notwendig war und ist, in Brandenburg Dinge weiter zu verändern. Das ist mit der Kommunalreform und der Polizeireform erfolgreich gelungen. Aber wir können jetzt nicht stehen bleiben. Mit unseren Reformen habe ich den Nachweis geführt, dass ich in der Lage bin, solche Herausforderungen anzunehmen. Ich denke dabei besonders an den Abbau von Bürokratie und die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen. Darum möchte ich Ministerpräsident werden.
Erst haben Sie sich Feinde mit der Kommunalreform gemacht. Nun sitzt die CDU bei den umstrittenen HartzIV-Gesetzen mit im Boot. Vom Wahlziel 35 Prozent plus X haben Sie sich schon verabschiedet. Welches Ergebnis ist noch realistisch?
Also mit der Kommunalreform können wir uns so viele Feinde nicht gemacht haben. Schließlich wurden wir stärkste Partei bei der Kommunalwahl. Was Hartz IV betrifft: Die Diskussion darum beeinflusst die Wähler sicherlich stark. Die PDS konnte deshalb in den Umfragen innerhalb weniger Wochen fünf Prozent hinzugewinnen. Wir liegen zur Zeit bei unserem Ergebnis der 1999er Landtagswahl. Aber die SPD hat damit verglichen elf Prozentpunkte verloren. Jetzt geht es darum, den Menschen zu erklären, über welche Zukunftsthemen sie am 19. September abstimmen. Dazu gehören Arbeit, Bildung und Innere Sicherheit. Hartz IV bewegt zwar zurecht die Menschen. Es ist aber kein Landesgesetz, sondern liegt in der Verantwortung der Bundesregierung.
Nach den verschiedenen Umfragen ist vieles möglich. Es könnte auch sein, dass die CDU die Wahl gewinnt, aber trotzdem in die Opposition muss, weil sich SPD und PDS auf ein Zusammengehen einigen. Das ärgert Sie natürlich, aber was wäre denn so schlimm daran, wenn die Sozialisten in die Regierung kommen?
Die PDS verweigerte sich im Landtag in der zu Ende gehenden Legislaturperiode wirklich allen notwendigen Reformen. Die PDS-Abgeordneten sagen immer nur, wo sie mehr ausgeben wollen, jedoch nie, wo das Geld herkommen soll. Die PDS kann nicht mit Geld umgehen. Sie hat in Brandenburg keine Regierungsreife. Und wenn es nach mir geht, bleibt das auch so.
Die große Koalition kann offenbar auch nicht mit Geld umgehen. Sie hat den Schuldenberg nicht in den Griff gekriegt.
Sie müssen die Bedingungen sehen. Wir mussten allein 2003 Steuermindereinnahmen in Höhe von 630 Millionen Euro hinnehmen, weil die rot-grüne Bundesregierung so viele Fehler macht. Das schlägt ohne Ausnahme voll auf die Länder durch.
Und dass die PDS nicht sagt, wo etwas einzusparen wäre, stimmt nicht. Sie hat zum Beispiel vorgeschlagen, den Verfassungsschutz abzuschaffen.
Der Verfassungsschutz kostet 1,3 Millionen Euro im Jahr. Mit dieser Summe ist der Landeshaushalt nicht zu sanieren. Außerdem verlangt Frau Enkelmann immer, dass ich mehr gegen Rechtsextremisten tun soll. Wenn wir gegen Extremismus jeder Art sind- und das bin ich- dann brauchen wir auch einen Verfassungsschutz. Und den gibt es nicht zum Nulltarif.
Wieso reden Sie immer allgemein von Extremismus? Es gibt vielleicht drei Linksextremisten in Potsdam, aber das war es dann auch. Das eigentliche Problem sind doch die Neonazis.
Mehr als drei Linksextremisten sind es schon. Aber keine Frage: Das Hauptproblem sind- da habe ich auch nie einen Hehl daraus gemacht - die Rechtsextremisten. Trotzdem darf man die anderen Formen des Extremismus nie unterschätzen.
SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck möchte in keiner Koalition den Juniorpartner abgeben. Die PDS ist nicht bereit, in einer Regierung auf den Posten des Ministerpräsidenten zu verzichten, insofern sie die Wahl gewinnt. Übrig bliebe theoretisch noch ein Bündnis von CDU und PDS. Können Sie sich dergleichen für die Zukunft vorstellen? Auf kommunaler Ebene gibt es das ja bereits.
Auf Landesebene halte ich eine Koalition mit der PDS oder eine Duldung durch die PDS für ausgeschlossen. Die PDS ist noch lange nicht so weit. Was Platzeck betrifft, muss ich sagen: Es ist glücklicherweise so, dass die Bevölkerung die Regierung wählt und nicht umgekehrt. Sollte am 19. September eine Mehrheit der Brandenburger für die CDU stimmen, dann muss sich Platzeck die Frage gefallen lassen, ob er dieses Ergebnis akzeptiert. Das Beste für Brandenburg wäre die Fortsetzung der großen Koalition. Wer stärkste Kraft wird, der sollte diese Koalition führen. Wir wollen stärkste Kraft werden.
Der Umgangston in der großen Koalition ist sehr rau geworden. Besteht überhaupt noch die Basis für eine vernünftige Zusammenarbeit?
Tatsächlich ist es zurzeit so, dass einzelne SPD-Landtagsabgeordnete mich schärfer kritisieren als die PDS. Vielleicht hoffen sie, dass ich im Gegenzug verbal so reagiere, dass sie argumentieren können: »Eine Koalition mit Schönbohm ist nicht mehr möglich. Wir müssen mit der PDS zusammengehen.« Das Klima im Kabinett ist aber nach wie vor gut.
Welche Versprechen von vor der letzten Landtagswahl hielt die CDU nicht?
Das meiste haben wir umgesetzt. Doch die Neuverschuldung ist nicht auf Null heruntergefahren und wir wollten in der Bildungspolitik schon sehr viel weiter sein. Die CDU ist der Meinung, dass die Schule junge Menschen mehr erziehen sollte zu Werten wie Sauberkeit, Ordnung und Höflichkeit. Dazu müssen Kopfnoten her.
Sie wollen etwas wieder einführen, was es in der DDR gab?
Warum nicht? Übrigens bin ich auch dafür, dass ehemalige NVA-Offiziere ihre Dienstgrade wieder offiziell führen dürfen. Eigentlich ist es ihnen nicht erlaubt, hinter ihren Namen z.B. Major a.D. zu setzen. Das hat mit der westdeutschen Ansicht zu tun, NVA-Soldaten hätten in einer fremden Armee gedient. 14 Jahre nach der Wiedervereinigung ist es Zeit, hier endlich abzurüsten. Im Westen wurde immer argumentiert, dass Deutschland eins sei. Also waren NVA-Soldaten Angehörige deutscher Streitkräfte.
Fragen: Andreas Fritsche
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