Milchwerker sind sauer

Beschäftigte setzen sich für Standorte Schlüchtern und Stavenhagen ein

  • Hans-Gert Öfinger
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Für den Erhalt aller Arbeitsplätze bei den »Immergut«-Milchwerken in Schlüchtern (Hessen) und Stavenhagen (Mecklenburg-Vorpommern) demonstrierten am Wochenende in Frankfurt (Main) Mitarbeiter des Werkes Schlüchtern und ihre Familienangehörigen.

Die Schlüchterner waren aus ihrer osthessischen Heimat angereist und marschierten durch die Bankenmetropole. Die Botschaft auf ihren Transparenten und Plakaten war eindeutig: »Unser nächster Arbeitgeber soll nicht Hartz heißen« oder »Es geht nicht um 109 Milchtüten, sondern um 109 Arbeitsplätze und Familien«. Seitdem am Montag vergangener Woche das Insolvenzverfahren gegen das Unternehmen eingeleitet wurde, bangen die Milchwerker von Immergut in Ost und West um ihre Arbeitsplätze. Die Beschäftigten in Schlüchtern sind so leicht aber nicht zu erschüttern. Ihr Betrieb erlebte schon mehrfach Eigentümerwechsel. In den 90er Jahren war das Werk vom Nutricia-Konzern (unter anderem »Milupa«) an den niederländischen Friesland-Konzern verkauft worden. Als dieser 2003 den Standort Schlüchtern schließen wollte, sprang der Stavenhagener Unternehmer Klaus Weise als Retter ein. Weise, der als enger Freund des SPD-Politikers Klaus von Dohnanyi gilt, hatte das Werk in Stavenhagen in den 90er Jahren von der Treuhand übernommen und unter der Bezeichnung »Immergut Dauermilch Stavenhagen GmbH« weitergeführt. Auf der Demo in Frankfurt (Main) forderte der zuständige Sekretär der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten, Jürgen Hinzer, die Politiker auf, sie sollten vom Unternehmer Klaus Weise endlich Rechenschaft darüber verlangen, wo die öffentlichen Subventionen der letzten Jahre für Stavenhagen hingeflossen sind. Wie der Schlüchterner Betriebsratsvorsitzende Heinz Müller mitteilte, hat Weise den Belegschaftsvertretern bisher trotz mehrfacher Aufforderung nie betriebswirtschaftliche Daten vorgelegt. Außerdem sei bislang nur ein vorläufiger Jahresabschluss für 2003 erstellt worden. Anfang 2004 protestierten Milchbauern aus der Region Spessart, die den Rohstoff lieferten, gegen Außenstände beim Milchgeld. Mittlerweile läuft ein Verfahren beim Hanauer Landgericht, in dem die Landwirte das ihnen zustehende Geld von Weise einklagen wollen. Die über 100 Beschäftigten des Milchwerkes in Schlüchtern sind stolz auf ihren hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad. Als die Regierung Kohl 1996 die bis dahin gesetzlich verankerte Lohnfortzahlung im Krankheitsfall aufweichte, konnte die Belegschaft im Manteltarifvertrag für die Molkereien die hundertprozentige Lohnfortzahlung festzuschreiben. »Wir liefern gute Qualität und wollen, dass beide Betriebe weiter produzieren können«, betont Heinz Müller, der eng mit dem von den Gläubigerbanken eingesetzten Geschäftsführer kooperiert: »Sonst kommen wir vom Regen in die Traufe - von Weise zu Weise«, witzelt Müller und meint damit den »Übergang« vom Unternehmer Klaus Weise zu Frank-Jürgen Weise, dem Präsidenten der Bundesagentur für Arbeit. »Selbstverständlich kämpfen wir für die Arbeitsplätze in Schlüchtern und Stavenhagen«, erklärt der Betriebsratsvorsitzende. Um dies zu erreichen und sich vor möglichen Tricks und Machenschaften hinter den Kulissen zu schützen, sei allerdings ein besserer Kontakt zwischen den Belegschaften in den beiden 700 Kilometer voneinander entfernten Standorten notwendig. Nur so könne eine Spaltung der Belegschaft zwischen Ost und West, zwischen Stavenhagen und Schlüchtern verhindert werden. Das scheint nicht einfach. In Stavenhagen gibt es nicht einmal einen Betriebsrat, ganz zu schweigen von einem Haustarifvertrag. Die 120 Beschäftigten dort hätten Einzelverträge, deren monatliche Entlohnung rund 350 Euro unter den ortsüblichen und rund 500 Euro unter den Tarifverträgen im Tochterunternehmen Schlüchtern lägen. Selbst nach Bekanntwerden der Insolvenz sei in Stavenhagen alles scheinbar ruhig geblieben, dor...

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