PLATTENBAU
Vorsicht: Wem das erste Herbstwindchen schon jetzt zu schaffen macht, sollte diese Platte besser nicht gleich auflegen. Denn das hier, »Zombi« von der Band Kante, könnte dann depressiv machen. Kante? Den Namen gibt es spätestens seit dem Ausstieg Peter Thiessens von Hamburgs Gitarrenrockern Blumfeld.
Blumfeld light? Eine flottere Variante der Geräuschkulissen von Bohren und der Club of Gore? Oder Free Jazz à la Jimi Tenor mal ganz anders, mit Klaus Lage als Aprilscherz am Gesang? Alles passt. Sentimentales Gitarrengeplänkel wird hier in berauschende Klangwelten überführt, Soundwellen, die ordentliche Nachdenklichkeit produzieren, einen in die Tiefe reißen und dann durch freejazzige Soundfetzen wieder aus dem Graben zerrütteter Emotionen holen. Das hört sich eher nach Regenfall an, nach am Fenster stehen und über alles nachdenken wollen. Nach dem Motto: Was ist nur passiert auf der bösen Welt? Ist sie noch zu retten? Und was ist eigentlich mit mir, wo will ich hin? Genau dafür bietet diese Platte den Rahmen. Nichts wird hier dingfest gemacht, jede Zeile der insgesamt 10 Songs ist derart interpretationsschwanger, dass sich jeder seine eigene Platte mit eigener Logik zusammenbasteln kann. Auch wenn das nicht immer einen rechten Sinn ergeben mag. »Wir stehen auf der Schwelle einer neuen Zeit« heißt es beim Titelsong »Zombi«. Zitat: »Wir sehen unmöglich aus, wir sind der Zeit voraus, wir sind die wunde Stelle mitten unter euch«. Und dann: »tragen unser Innerstes nach außen«, die Zeile kennt man bereits von Blumfeld, auch musikalisch knüpft das Stück an Jochen Distelmeyers Phrasendrescher-Combo an. Doch was bei Blumfeld ein regelrechter Schunkelhit ist, Pärchen in den ersten Reihen zum Knutschen bringt, wird bei Kante eher einen rempelnden Pogomob inmitten einer Schmusesongsammlung auslösen. »Zombi« soll das »härteste« Stück der Scheibe sein und gerät dennoch als ein Weichspüler für jeden Hardcore. Jedes Stück passt auf das nächste, dass es auch eine Produktion für ein pompöses Musical hätte sein können. Das Schlechte daran: Stellenweise klingt man hier einfach zu sonntagsphilosophisch. Trotzdem schöne Melodien für die angeschlagenen Herzen. An Selbstbewusstsein fehlts jedenfalls nicht im Revier. Kante: »Im Rahmen der Möglichkeiten sind wir ein h...
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