„Komm hilf mir mal die Rolle drehn. ..
Hermann Frey lieferte Berliner Schlager und Gassenhauer am laufenden Band
Deutschlands erste Firma für „Zahnersatz auf Abzahlung“ Stets bastelte Frey an Projekten, meistens erfolgreich. Zum Beispiel wurden ihm von der „Reichskartoffelstelle“ im 1. Weltkrieg Tausende von überflüssigen Kisten zum Spottpreis angeboten, er griff zu und erfand die „Kochkiste“, noch heute ein energiesparendes Speise-Wärm-Gerät.
Frey übernahm das große Restaurant Buggenhagen am Moritzplatz, machte tolle Geschäfte mit Bockbierfesten, er pachtete das Luisencafe in der Dresdener/Ecke Jakobstraße. Mit steilem Aufstieg und steiler Pleite. Am stärksten aber trieb es ihn zu Bühne und Variete.
Er heiratete in die berühmte Artistenfamilie Braatz ein: Tante Euphrosine, bekannteste Seiltänzerin der Welt, stürzte tödlich ab, Papa arbeitete mit der „freistehenden Leiter“, Mutter war Xylophonsoli-
stin, Bruder Kunstradfahrer und Freys Frau Wally Jongleuse.
Hermann Frey besann sich aufsein Reimtalent, schnell fielen ihm Texte, Lieder, Szenen ein. Für das Rose-Theater schrieb er Stücke und Revuen: „Schürzenjäger“, „August der
Starke“, „Rund um die Spree“ Seine Lieder, vertont meist von Walter Kollo, wurden ungeheuer populär: „Komm hilf mir mal die Rolle drehn, / du bist so dick und stramm, / genier dich nicht und zier dich nicht, / wir drehn das Ding zusamm!“ Oder: „Mein Papagei frißt keine harten Eier“. Und den „Bummelpetrus“. „Petrus schließt den Himmel zu, / alle Englein gehn zur Ruh, / nur der schlaue Petrus
wacht, / weil der alte Bengel / heut mit einem Engel / einen kleinen Bummel macht“.
Für Ciaire Waldoff: „Mein geliebtes Schmackeduzchen, / komm zu deinem Enterich, / laß uns beid von Liebe plauschen / innig, sinnig, min-
niglich“. Oder: „Ach, liebe Wanda,/es ist ein Mann da,/der kiekt so böse durch die Küchentür“.
Und ganz Berlin sang, was die Jungen ihm beim Spaziergang zuriefen: „Und dann schleich ich still und leise, / immer an der Wand lang, / heimwärts von der Bummelreise, / immer an der Wand lang. / Schimpft zu Haus och meine Olle, / immer an der Wand lang, / ja, ick bin ne dolle Bolle. / Immer an der Wand, an der Wand entlang“.
Frey hatte ein genaues Gefühl, was in Berlin vom Wedding bis Neukölln geliebt wurde: Anzügliche, derbe Kost, eine Portion Nonsens, wenn man
an den Papageitext denkt, den er selbst als „Unsinn mit Methode“ bezeichnete, und ein Schuß Betulichkeit und Sentiment, und das alles schmissig serviert.
Auf die Tränendrüse konnte Hermann Frey drücken, wenn es ihm nötig schien, und auch dahin folgten ihm die Berliner: „Die alten Straßen noch,/die alten Häuser noch, / die alten Freunde aber sind nicht mehr“.
Das umfangreiche Personenund Sachregister am Schluß des Buches enthält ein interessantes Berlin-Wörterbuch: z.B. „Übern Koffer ziehn“ heißt ganz einfach „jemand über^ vorteilen“, „verlöten“ nichts anderes als „trinken“ und „Knotenbeene“ sind „krumme Beine“.
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