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Lust auf Fliegenpilze
Auch in der Drogenszene geht der Trend zur Natur
Die Pilzzeit ist in vollem Gange und zunehmend sind Sammler unterwegs, die nicht für ein leckeres Pilzgericht in den Wald gehen, sondern für einen psychedelischen (das Bewusstsein durch Rauschmittel verändernden) Trip.
Fliegenpilze sind unter den Techno-Freaks besonders gefragt. Mit ihren Wirkstoffen Muscimol, Musacarin und Ibotensäure versprechen sie manchen interessanten Ausflug in das Land der Phantasien. Aber auch der Spitzkegelige Kahlkopf und die Familie der Düngerlinge mit dem Wirkstoff Psylocibin sind gefragt. Rezepte werden gehandelt wie Geheimnachrichten. Frisch, gekocht, als Tee oder Pulver macht der Genuss der Gerichte sie angeblich glücklich. Doch Mediziner warnen vor Nebenwirkungen, und ihre Warnungen konkretisiert Imo Mackenroth vom Gesamtverband der Suchtkrankenhilfe im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD): »In neuerer Zeit hat ein breites Interesse an psychoaktiv wirkenden Pflanzen eingesetzt.« Er misst im Zusammenhang mit der Technobewegung und dem New-Age-Kult den Halluzinogenen ein hohes Gewicht zu. In Russland wird der Sud vom Fliegenpilz genossen - sozusagen als Alkoholersatz. Er lässt die Welt in einem schöneren Licht erscheinen, dafür nehmen die Konsumenten Übelkeit, Erbrechen, Muskelzuckungen als Kater in Kauf. Der Fliegenpilz sensibilisiert das Bewusstsein für Geräusche und verändert die Größenwahrnehmung. Psilocybinhaltige Pilze stehen für optische und akustische Halluzinationen. Schwindel und Mattigkeit sind ihre ständigen Begleiter. Konsumenten und Besitzer solcher Naturdrogen irren, wenn sie glauben, dass sie mit dem Gesetz nicht in Konflikt kommen. Sie können nämlich nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtmG) durchaus belangt werden. Denn Psilocybin und Meskalin gehören zu den »Stoffen und Zubereitungen«, die in Anlage I des BtmG aufgeführt sind. Sie sind damit »nicht verkehrsfähige« Betäubungsmittel und dürfen weder gehandelt noch vertrieben werden. Der Besitz dieser Drogen ist ebenfalls strafbar, wenn die »missbräuchliche Verwendung« nachgewiesen werden kann. Dazu gehört der Konsum dieser Stoffe, um einen Rausch zu erzielen. Atropin, Csopolamin und Hyosciamin sind keine Betäubungsmittel, unterliegen aber dem Arzneimittelgesetz (AMG). Verstöße dagegen werden mit Bußgeldern geahndet. In Holland sieht das ganz anders aus: Dort gibt es spezielle Geschäfte in der City von Amsterdam, eins davon die »Magic Moshroom Gallery«. Dort werden Pilze aus aller Welt für psychedelische Abenteuer angeboten, beispielsweise der Psylocybe cubensis. Der Beipackzettel dieser getrockneten Pilze verspricht ein mildes High bis hin zu einem handfesten Trip. Er ist mit einer Dosierungsanleitung versehen, die mit der Bemerkung endet, dass es grundsätzlich kein Problem sei, nach der Einnahme einen Joint (Marihuana) zu rauchen. Dies könne eine positive gemütliche Wirkung haben. Die Wirkungen hierzulande sind höchst umstritten. Denn Pilze wachsen in unterschiedlichen Umgebungen und Voraussetzungen, und die Konzentration der psychoaktiven Substanzen hängt stark vom Standort, der Witterung und dem Erntezeitpunkt ab. Das allerdings gilt nicht nur für Pilze, sondern auch für andere Naturdrogen. Immer wieder haben Menschen nach berauschenden Pflanzen gesucht. So haben die Ägypter das Bilsenkraut, der griechische Arzt Theophrast die Alraune und die Azteken-Priester die Pilze favorisiert. Andere Pflanzen wie Mohn, Hanf, Stechapfel und Tollkirsche sind im Laufe der Zeit dazugekommen. Die meisten von ihnen enthalten Alkaloide wie Atropin und Scopolamin. Das eine wirkt stimulierend, das andere beruhigend auf das zentrale Nervensystem. Herzrasen, Sehstörungen und Trockenheit im Mund sind ernstzunehmende Vergiftungsanzeichen. Denn auch wenn biogene Drogen nur theoretisch und nicht tatsächlich strafrechtlich geahndet werden: Sie bleiben Gifte, und die sind gefährlich - wie der Saft des San-Pedro-Kaktus auf der Fensterbank, der Meskalin enthält, eine in der Techno-Szene beliebte Droge, ...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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