- Brandenburg
- ? Interview: Günter Brinker, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler Berlin
»Hoffe stark auf die kritischen Bürger im Osten«
Diplomkaufmann Günter Brinker (48), seit Anfang Julian der Bundes-Spitze. Er ist Unternehmensberater und im Immobiliengeschäft. Studium in Berlin, stammtaus Cloppenburg.war beim Bund Fallschirmjäger
ND-Foto: Burkhard Lange
? Herr Brinker, Sie wollen Ihren bislang eher beschaulich agierenden Bund zu einer wirklichen »außerparlamentarischen Kontrollinstanz« machen. Wie?
Dafür müssen wir zum einen unsere Mitglieder - in Deutschland immerhin 400 000, in Berlin über 12 000 - stärker aktivieren, zum anderen in den Medien, aber auch auf der Straße aggressiver werden.
? Ihre Mitglieder, also vor allem der Mittelstand, sind doch aber nicht die Leute, die auf die Straße gehen.
Die sollen auch nicht gleich demonstrieren. Aber wir werden beispielsweise demnächst an zentralen Plätzen in Ost und West »Schuldenuhren« aufstellen. Da kann man gut sehen, wie die allgemeine Verschuldung, in Deutschland also über zwei Billionen Mark, und ebenso die der Stadt Berlin, auch schon weit über 50 Milliarden, minütlich wächst.
? In Berlin pro Minute 9600 Mark. Aber solche Zahlen bringen die Leute kaum auf die Palme.
Wir haben auch andere.
? Welche?
Wissen Sie, wie sich der Berliner Landeshaushalt im Vergleich zu dem ausnimmt, was selbst der blödsinnigste Familienvater nicht tun würde?
? Nein.
Nun, der Senat gibt bekanntlich von den jährlich 17 Milliarden Steuereinnahmen etwa 14 Milliarden allein für reine Personalkosten aus. Das ist etwa so, als wenn sich ein Familienvater mit monat-
lich 4000 Mark netto für 3200 Mark Haushaltspersonal hält, er allerdings für Zinsen, Miete, Verpflegung, Kleidung usw 5200 Mark braucht. Und die pumpt er bei Bank und Bekannten und verkauft hinzu noch die geerbten Silberlöffel.
? Ziemlich irre.
Ich sage dazu: Wir werden ver-kohl-t. Und daran ist die hiesige Große Koalition kräftig beteiligt.
? Auch der Rechnungshof gibt jährlich horrende Haushalts-Mißstände zu Protokoll - so gut wie wirkungslos.
Der macht wichtige analytische Arbeit, und ich werde dorthin guten Kontakt pflegen. Unser Bund kann die Dinge natürlich viel drastischer auf den Punkt bringen. Ohne Ansehen der Person. Bis hin zu Strafanzeigen.
? Woran denken Sie da?
Der Polizeipräsident nannte als Schlüssel des Erfolges neue Ermittlungsmethoden und verbesserte Kooperation mit dem Bundeskriminalamt, den Zollbehörden, dem Bundesgrenzschutz und anderen Polizeidienststellen. Auf Grund der Gesetzeslage sei es nicht möglich, beispielsweise vietnamesische Polizisten als verdeckte Ermittler einzusetzen. Dennoch solle die Zusammenarbeit mit Hanoi verbessert werden.
Trotz aller optimistischen Aussagen sei es aber bis heute noch nicht gelungen, in die mafiosen Strukturen einzudringen und diese auszuschalten. Bei den Verhafteten oder den Zeugen gäbe es aus Furcht vor Repressalien immer noch eine Mauer des Schweigens. Die Hintermänner, die Großhändler seien in ersten Linie Deutsche, Russen, Polen und Schweizer Doch habe man »endlich Erkenntnisse über Strukturen und Tatzusammenhänge. Vorrangig müssen jetzt eben diese Strukturen zerschlagen werden«, erklärte Saberschinsky
Der Polizeipräsident appellierte erneut an die Bürger, sich nicht am illegalen Zigarettenhandel zu beteiligen. Wo es keine Käufer gäbe, hätten auch der Zigarettenhandel und die organisierte Kriminalität keine Chance. Gleichzeitig verwies er auf Erkenntnisse, wonach Deutsche den Vietnamesen gegen Bezahlung Lagerräume und Wohnungen zur Verfügung stellten oder sie mit Telefonen und Autos versorgten.
Beispielsweise an Verkäufe von Landeseigentum unter Wert.
? Auch von Landesbeteiligungen? Natürlich, wobei Recherchen bei solchen Geschäften wie etwa BEWAG-Anteilen ungleich komplizierter sind als bei Grundstücken.
? Sonstige aktuelle Forderungen an die Politik?
Beispielsweise Abbau der Berliner Bezirke von jetzt 23 auf 10, Reduzierung der Abgeordneten von jetzt 206 auf 100. Die 90 000 Berliner Beamten sollen sich endlich an ihrer prächtigen Altersversorgung beteiligen. Und was die Senatsverwaltungen angeht, da fordern wir endlich unabhängige Überprüfungen ihrer Effektivität.
? Insgesamt lägen Sie so mit der Koalition ebenso über Kreuz wie mit der Opposition.
Kaum aber mit den normalen Steuerzahlern, dem Bürger
? Parteien wie Verwaltungen werden Ihnen Populismus vorwerfen.
Wenn er von denen kommt, die von unseren Steuern leben, schreckt mich das wenig. Ich mach mich ganz gern unbeliebt; ich brauche dort kein Pöstchen.
? Und wo, meinen Sie, werden Sie Beifall ernten?
Das werden wir sehen. Übrigens hoffe ich bei Widerstand stark auf die kritischen Bürger im Osten. Die sind viel weniger gutgläubig als im Westen.
? Und wenn Sie dennoch in Ost wie West nur auf Lethargie stoßen?
Für mein ehrenamtliches Amt hat mich meine wachsende Wut über die Zustände reif werden lassen. Wenn ich in ein paar Jahren feststellen muß, daß sich in Deutschland wirklich nichts mehr bewegen läßt, werde ich wohl von hier weggehen.
Interview Michael Müller
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