Im Trauerspiel von Schloss Zeesen soll der Vorhang fallen

Jugendverein will das seit sechs Jahren leer stehende Gebäude zu einem Ort für Toleranz machen

  • Hannes Heine
  • Lesedauer: 3 Min.
Etwas ungemütlich sieht es aus. Ein zugewachsener Weg führt auf das eindrucksvolle, aber verwitterte Haus zu. Auf den Stufen zur Eingangstür sprießt Unkraut. Das Mitte des 17. Jahrhunderts unter Kurfürst Friedrich III. erbaute Schloss Zeesen steht seit sechs Jahren leer. Der Jugendverein »Splirtz« möchte diesen Zustand ändern und schaute sich das Gemäuer jetzt gemeinsam mit dem Eigentümer Manfred Wolff und mit dem PDS-Politiker Stefan Ludwig an. Ludwig ist Bürgermeister von Königs Wusterhausen und in dieser Funktion für den Ortsteil Zeesen zuständig. »Splirtz« will das traditionsreiche Bauwerk für Bildung und Kultur nutzen. »Eine tolle Idee«, findet Bürgermeister Ludwig. Auch Unternehmer Wolff ist nicht abgeneigt, erwartet aber ein konkretes Konzept. Wie kaum ein anderes Gebäude der Region spiegelt das Gut deutsche Geschichte wieder. Mehrere Generationen preußischen Adels nutzten das idyllisch am Zeesener See gelegene Haus als Lustschloss. Eugen Gutmann, Mitbegründer der Dresdner Bank, gelangte 1903 in den Besitz des Schlosses und lud zahlreiche Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik ein. 1925 erwarb der jüdische Jurist Ernst Goldschmidt das Anwesen. Bis zur Machtergreifung der Nazis wohnte hier unter anderen Schauspielerin Carola Neher. Goldschmidt floh 1934 vor den Faschisten. Schauspieler Gustaf Gründgens konnte den Landsitz danach günstig kaufen. 1945 blieb Gründgens in Westdeutschland und verlor das Interesse am Haus. Vorübergehend entstand ein Kinderheim, ab 1971 nutzte das DDR-Außenministerium die Räume. Nach dem Ende der DDR meldeten sowohl Gründgens-Erben als auch Nachkommen Goldschmidts Besitzansprüche an. Währenddessen drohte der Bau zu verfallen. 1991 besetzte ihn Linksalternative aus Berlin. Das Objekt entwickelte sich zu einem der wenigen Anlaufpunkte für linke Jugendliche in der ganzen Region. Mehrfach versuchten Neonazis, das besetzte Gebäude anzugreifen, einmal wurden Bewohner mit einem Gewehr beschossen. Gerichte sprachen das Schloss schließlich einem Goldschmidt-Erben zu. Dieser starb 1999 und sein Geschäftspartner Manfred Wolff wurde Eigentümer. Mit den linken Bewohnern einigte sich Wolff auf einen friedlichen Auszug. Seitdem steht das Haus leer. Ein Investor fand sich nicht. Wenn es nach den Wünschen von »Splirtz« geht, dann wird das Schloss mit der bewegten Vergangenheit möglichst bald zu einem Inbegriff für Toleranz. »Wir haben im Landkreis Dahme-Spreewald eine unvermindert starke rechte Szene«, beklagt Anne Heese vom Verein. Mit Hilfe staatlicher Förderprogramme und in Kooperation mit Stiftungen sollen Ausstellungen und Veranstaltungen über Rechtsextremismus, Migration und jüdische Geschichte das Haus beleben. Bis dahin muss allerdings viel getan werden. Das Gebäude ist baufällig. Nach vorsichtigen Schätzungen würde eine Sanierung mehr als 1,5 Millionen Euro kosten. Deshalb bemühen sich die Initiatoren um Schirmherren und Sponsoren. Man fragte Paul Spiegel, den Vorsitzender des Zentralrats der Juden, und die Filmemacherin Margarethe von Trotta. Unterstützung signalisierten bereits der PDS-Kreisvorstand und Landrat Martin Wille (SPD). »Außerdem soll ein eigener Förderverein gegründet werden«, erläutert Heese. Doch das kann dauern. Bis dahin wird das vernagelte Haus wohl weiter zuwachsen. Schon jetzt haben einzelne Pflanzen den ersten Stock erreicht.

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